Kaiser's-Tengelmann-Zerschlagung Nur jede dritte NRW-Filiale überlebt

Mülheim · Die Rettungsgespräche sind gescheitert, nun bereitet Tengelmann-Chef Haub die Zerschlagung vor. Die Listen mit den Filialen, die geschlossen werden sollen, sind bereits verschickt worden.

Kaiser's-Tengelmann-Zerschlagung: Nur jede dritte NRW-Filiale überlebt
Foto: dpa, gam jhe

Die Gewerkschaft Verdi hat an alle Beteiligten appelliert, der Wirtschaftsminister einen Schlichter vorgeschlagen, die Kanzlerin mahnte gestern wieder eine Lösung im Sinne der Belegschaft an. Und doch sind bei Kaiser's Tengelmann die Vorbereitungen für die Zerschlagung angelaufen - zunächst nur in NRW; in Bayern und Berlin soll der Ausverkauf erst 2017 beginnen.

Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub will parallel zum Verkauf einzelner Niederlassungen weiter an der großen Lösung arbeiten - dem durch die Ministererlaubnis genehmigten Komplett-Verkauf an Edeka. Dazu müsste es aber wieder Gespräche mit jenen geben, die mit ihrer Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf die Umsetzung der Ministererlaubnis lahmgelegt haben.

Infografik: Bangen um Jobs bei Kaiser's Tengelmann | Statista
Aber wie man es dreht und wendet: Ein Paketverkauf im Rahmen der Ministererlaubnis ist nicht möglich. Das am 6. Oktober beim ersten Krisentreffen suggeriert zu haben, werfen sich die Parteien gegenseitig vor. Wohlwissend, dass es auch für sie kein Ruhmesblatt wäre, hätten sie auf die Machbarkeit dieser Lösung tatsächlich vertraut.

Etwa 70 Niederlassungen droht das Aus

Vermutlich bräuchte es wirklich einen Mittelsmann, um die Kontrahenten zueinander zu bringen. Bei Tengelmann und Rewe scheint es ausgeschlossen, dass sie von sich aus einen Schritt auf den anderen zu tun. Darauf, dass die Politik alle Mitspieler zusammenführt, können die Firmen nicht zählen. Die Frage eines Schlichters müsse zunächst von den Beteiligten selbst geklärt werden, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Das Szenario Zerschlagung läuft erst einmal. 107 Niederlassungen in NRW stehen zum Verkauf. Bei zwei Dritteln davon glaubt Haub selbst nicht daran, sie erfolgreich veräußern zu können. "Wir wären froh, wenn wir für 30 bis 40 Filialen Käufer finden würden", hat er der "WAZ" gesagt. Das heißt im Umkehrschluss: Etwa 70 Niederlassungen droht das Aus, davon vermutlich rund 40 in der Region.

Um die Filialen können sich auch alle im Gerichtsverfahren Beteiligten bewerben. Allerdings hat Haub kein Hehl daraus gemacht, dass er beim Verkauf von Filialen oder Filialpaketen seinen Wunschpartner Edeka bevorzugen will. Ein Dankeschön für zwei Jahre Treue in den Vertragsverhandlungen, nach denen die Hamburger dann zwar nicht mehr wie erhofft das ganze Unternehmen bekämen, aber dafür auch wie andere Filialkäufer von Verpflichtungen aus den mit Verdi und der für die Fleischwerke zuständigen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) geschlossenen Tarifverträgen befreit wären.

Das würde die NGG gern verhindern. "Beim Einzelverkauf ist es nun Aufgabe von Herrn Haub sicherzustellen, dass die in den Tarifverträgen mit Edeka erreichten Regelungen zur Sicherung der Arbeitsplätze der Beschäftigten in den Birkenhof-Fleischwerken auch von den eventuellen Käufern eingehalten werden", forderte Claus-Harald Güster, stellvertretender NGG-Bundesvorsitzender. Bei der NGG, die "betriebliche Aktionen intern aktuell diskutiert", herrscht Ärger über die Manager der Handelskonzerne: "Es ist unerträglich, dass alle großen Player am Verhandlungstisch behaupten, dass ihnen zuvorderst das Wohl der mehr als 15.000 Arbeitnehmer am Herzen liegt. Angesichts ihres Verhaltens sind dies Lippenbekenntnisse. Es scheint, dass es ihnen nur um ihre eigene Position und ihren Vorteil geht. Die Beschäftigten sind entsetzt darüber, dass den Beteiligten offenbar persönliche Interessen über den Erhalt von gut 15.000 Arbeitsplätzen gehen."

(maxi)
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