Bildung statt Kohle und Stahl Gauck würdigt Ruhr-Universität als Symbol für sozialen Aufstieg

Bochum · Dem Beginn der Kohle- und Stahlkrise Ende der 50er Jahre schloss sich der Ausbau der Bildungslandschaft im Ruhrgebiet an. Die Ruhr-Universität Bochum war das erste Vorzeigeprojekt im Strukturwandel. Sie feiert Goldenes Jubiläum.

 100.000 feiern 50-jähriges Bestehen der Bochumer Universität.

100.000 feiern 50-jähriges Bestehen der Bochumer Universität.

Foto: dpa, mb

Schön ist sie nicht, aber seit 50 Jahren ein Symbol für Aufbruch und Strukturwandel im Ruhrgebiet. Die Ruhruniversität Bochum (RUB) hat am Samstag bei einem großen Festakt mit Bundespräsident Joachim Gauck, 1300 geladenen Gästen im Audimax und über 100 000 Besuchern an Informationsständen draußen Geburtstag gefeiert. Gauck lobte die RUB als "Motor des Wandels" in der Region.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte: "Eine Wissensschmiede hat die Stahlschmieden abgelöst." Die Gründung der Universität sei ein "soziales Versprechen" gewesen. Und tatsächlich: Die erste deutsche Universitätsgründung nach dem Zweiten Weltkrieg war ein Politikum. Eine Hochschule im Ruhrgebiet sollte den Strukturwandel beschleunigen und endlich den "weißen Bildungsfleck" beseitigen. Kaiser Wilhelm II. hatte Hochschulen in der "Waffenschmiede des Reiches" verboten.

Anfang der 60er Jahre entschloss sich der nordrhein-westfälische Landtag zum Neubeginn. Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) schob den Ausbau der Bildungslandschaft an. Und das hatte Gründe: Die Stahl- und Kohlekrise ab 1957 drängte zum Strukturwandel. Für das Vorzeigeobjekt wollten die Politiker 2,3 Milliarden Mark in die Hand nehmen. Nach langen Querelen um den Standort feierte die Betonburg "Ruhr-Uni" am 30. Juni 1965 Eröffnung.

Dank großzügiger Ausstattung wurden von weither Professoren angelockt und auch die Zahl der Studenten stieg schon nach fünf Jahren auf über 10 000. Heute sind es fast 43 000 Studierende. Bochum war dabei nur der Startschuss: Aus dem hochschulpolitischen Niemandsland Ruhrgebiet wuchs ein dichter Bildungsstandort mit weiteren Neugründungen in Dortmund, Duisburg und Essen heran.

Das Revier sorgte auch später für bildungspolitische Schlagzeilen.
1974 entstand in Hagen die erste Fernuniversität. 1982 folgte in Witten/Herdecke die erste Privatuniversität. Heute studieren rund 265 000 Menschen im Ruhrgebiet.

Die Hochschule erleichterte den Kindern von Stahlarbeitern und Bergleuten den Zugang zum Studium. Bislang mussten die jungen Leute aus dem Revier an die überfüllten Hochschulen nach Münster, Köln, Bonn oder Aachen gehen, sofern es die Verhältnisse überhaupt erlaubten. Das änderte sich mit der Gründung der RUB. "Dort, wo der Vater unter Tage malocht hat, konnten seine Töchter und Söhne dann studieren", sagte Kraft beim zentralen Festakt am Samstag. "Ohne die Hochschulen", so Kraft weiter, "wäre der Strukturwandel in der Region nicht möglich gewesen."

Um Anekdoten blieb die Ruhr-Universität nicht verlegen. Nachdem der Protest der Nachbarn aus Dortmund gegen die Bochumer Gründung durch das Versprechen einer eigenen Uni verebbt war, schritten Politiker, deutsche Universitätsrektoren und die ersten 67 Professoren im gewünscht dunklen Anzug zum Eröffnungsakt im Schauspielhaus. Einzig Landesmutter Wilma Meyers pfiff auf alle Kleidungsvorgaben und tanzte mit einem bunt getupften Kleid aus der Reihe.

Das Theater musste für die Feier herhalten, weil auf Europas größter Baustelle kaum etwas fertig war. Die Uni brachte Bibliothek und Institute zunächst notgedrungen in alten Zechengebäuden unter. Unter dem Titel "Klage im Kloster" berichtete 1967 der "Spiegel" von 40 Gelehten, die ein Memorandum über ihre schwierigen Arbeitsbedingungen verfasst hatten. 23 der 40 Unterzeichner saßen aus Platzmangel an ihren alten Wirkungsstätten in fernen Städten.

Versprochen hatte man ihnen dagegen einen "Vollbetrieb" ab Wintersemester 67/68. "Bochum war eine politische Entscheidung. Die Planer wurden erst hinterher gefragt", brachte es damals ein Sprecher des Bauministeriums auf den Punkt. In diesen turbulenten Jahren sei die Universität "die größte Baustelle Europas" gewesen, erinnerte Rektor Elmar Weiler am Samstag während des Festaktes.

Das Jubiläum trifft die Uni mitten in der Sanierung. Seit Jahren wird die aus Sicht vieler Nutzer unansehnliche Betonburg mit Milliarden-Aufwand erneuert. Am Samstag sagte Kraft über die Architektur: "Die Ruhruni ist wahrlich kein Barockschlösschen." Die Lacher im Audimax hatte sie damit auf ihrer Seite.

(lnw)
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