Hans-Peter Burghof "Italien-Krise gefährlicher als die griechische"

Der Banken-Experte über die römische Rettungspolitik, das Versagen von EZB-Präsident Draghi - und die Deutsche Bank.

Herr Burghof, Sie haben als Banken-Professor den Deutschen 2008 die Finanzkrise erklärt. Nun ist die Branche erneut in Aufruhr. Was sagen Sie dazu, dass die Deutsche Bank jetzt 188 Filialen schließt?

Burghof Die ganze Branche steht vor zwei Herausforderungen, die Deutsche Bank befindet sich in guter Gesellschaft. Zum einen reagiert die Bank auf den technologischen Wandel. Immer mehr Kunden nutzen das Online-Banking, dafür braucht man keine Filialen. Zum anderen reagiert die Bank auf die Europäische Zentralbank (EZB). Die Niedrigzinspolitik der EZB vernichtet Bankfilialen. Denn deren Kerngeschäft ist es, Spareinlagen zu gewinnen - und genau das ist heute höchst unattraktiv.

Bislang hat Bank-Chef John Cryan nur abgebaut - Jobs und Filialen. Ist es nicht Zeit für eine Zukunftsvision?

Burghof John Cryan ist für das unsentimentale Geschäft des Sparens geholt worden. Dabei wären Visionen nur hinderlich. Cryan muss aufräumen. Das erfolgreich hinzubekommen, ist schwer genug. In zwei oder drei Jahren braucht die Bank einen Visionär, der sie in die Zukunft führt. Ob das dann John Cryan sein kann, ist fraglich. Als Aufräumer macht man sich intern viele Feinde.

Am 29. Juli legt die EZB ihren Stresstest vor. Wie werden deutsche Banken abschneiden?

Burghof Das weiß ich nicht. Auf der einen Seite sind die deutschen Banken besser als andere durch die Finanzkrise gekommen und profitieren besonders vom deutschen Wirtschaftsboom. Auf der anderen Seite ist ein Stresstest höchst politisch. Je nachdem, welche Annahmen und welches Szenario man wählt, kann man jedes Ergebnis erzeugen.

Welches Interesse hätte die EZB, dass deutsche Banken schlecht aussehen?

Burghof In keinem Land der Eurozone wird die EZB so stark kritisiert wie hier. Die Südeuropäer freuen sich, dass die EZB so laxe Geldpolitik macht wie einst ihre nationalen Notenbanken. In Österreich oder Benelux regt sich kaum Kritik. Nur in Deutschland gibt es massive Kritik von Politikern, Sparkassen- und Bankchefs. Politisch könnte es der EZB gut gefallen, den Deutschen einen Dämpfer zu verpassen. Frei nach dem Motto: Kehrt erst mal vor eurer Tür. Dabei ist nicht die Deutsche Bank die gefährlichste der Welt, sondern es sind eher US-Banken.

Warum?

Burghof In Deutschland verhindert die Drei-Säulen-Struktur aus Banken, Sparkassen, Volksbanken, dass einer große Marktmacht zusammenkauft. Darum fällt hier auch die Rendite geringer aus als bei US-Banken. Bei Goldman Sachs ist der Rendite-Hunger viel größer.

War es ein Fehler, der EZB die Bankaufsicht zu übertragen?

Burghof Auch wenn die Bereiche der EZB organisatorisch getrennt sind: Es wäre besser gewesen, eine Bankaufsicht zu installieren, die ganz unabhängig von der Geldpolitik ist. Dann könnten die Stresstests objektiver gestaltet werden.

Die größten Sorgen bereiten Italiens Banken. Wie gefährlich ist das?

Burghof Die italienische Bankenkrise ist wirtschaftlich gesehen viel gefährlicher als die griechische Krise vor einem Jahr. Italien ist viel größer als Griechenland, viel stärker mit der Eurozone verflochten und hat mit über 130 Prozent die zweithöchste Verschuldung in der Eurozone. Man wird alles tun, um ein Übergreifen zu verhindern.

Nun will Italien die Regeln zur Bankenrettung brechen und nur betuchte Eigentümer rannehmen.

Burghof Wer nur ein paar russische Oligarchen zur Kasse bitten, den Großteil der Banken-Rettung aber auf den Steuerzahler abwälzen will, bricht die europäischen Regeln der Banken-Rettung. Danach sollte der Bail-In eigentlich fast alle Geldgeber der Bank betreffen. Gleich beim ersten Anwendungsfall versagt die Bankenunion. Das zeigt: Schäubles Versprechen, Europas Steuerzahler müssten keine Banken mehr retten, wird nicht eingehalten.

Wie konnte es so weit kommen?

Burghof Die italienische Notenbank hat schon in der Finanzkrise 2008 versagt. Damals hätte sie viel schärfer hinschauen und sanktionieren müssen. Damals war Mario Draghi ihr Präsident. Sein Versagen erklärt vielleicht auch, warum er jetzt als EZB-Präsident das Problem geräuschlos erledigt sehen möchte.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort