Berlin Institute: Regierung gibt Geld falsch aus

Berlin · Haushaltsüberschüsse sollten für Investitionen statt für neue Sozialausgaben verwendet werden, mahnen die Forscher.

Berlin: Institute: Regierung gibt Geld falsch aus
Foto: V. Weber

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute sehen Deutschland weiter in einem "moderaten Aufschwung", kritisieren jedoch die "wenig wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik". Statt die Steuern und Abgaben für Arbeitnehmer deutlicher zu senken oder noch mehr in Bildung zu investieren, habe die Regierung vor allem die Sozialausgaben ausgeweitet, heißt es in ihrem Frühjahrsgutachten. Insbesondere die Rentenversicherung habe die Koalition mit neuen versicherungsfremden Leistungen wie der Rente mit 63 und den höheren Mütterrenten belastet. "Solche Ausgaben sollten aus Steuermitteln finanziert werden", fordern sie.

Ihr Appell kommt zur rechten Zeit. Denn in der Koalition hat eine neue rentenpolitische Debatte begonnen, die im Ergebnis zu einer weiteren zusätzlichen Belastung der Rentenbeitragszahler führen kann. So dringen die CSU und Teile der SPD neuerdings darauf, das Rentenniveau in den kommenden Jahren weniger stark als bisher vorgesehen abzusenken. Hinzu kommt, dass die Koalition die Einführung einer Lebensleistungsrente für langjährige Beitragszahler plant, deren Rentenanspruch unterhalb der Sozialhilfe liegt. Diese neue Solidarrente solle zwar aus Steuermitteln finanziert werden, doch werde sie Spielräume im Bundeshaushalt dauerhaft schmälern, warnen die Institute.

Die Regierung sollte ihre Haushaltsüberschüsse nicht in weitere neue Sozialleistungen stecken, so das Gutachten. Dagegen sei das Geld gut angelegt in Integrationsleistungen für Flüchtlinge. Auch hier sollte die Koalition aber darauf achten, dass etwa Eingliederungsleistungen für Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt nicht den Beitragszahlern der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung aufgebürdet würden, denn auch dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuern finanziert werden müsse. Das Gleiche gelte für die Gesundheitsversorgung der Migranten, die nicht aus Beiträgen der Krankenversicherten bezahlt werden dürfe.

Der Staat werde trotz der Belastungen durch die Flüchtlingskrise das Jahr 2016 mit einem Überschuss von elf Milliarden Euro und 2017 mit zehn Milliarden Euro abschließen, so die Prognose. Dies sei wegen des weiterhin robusten Wachstums von 1,6 Prozent im laufenden Jahr und 1,5 Prozent 2017 möglich.

Die Zahl der Beschäftigten werde 2016 um 500.000 und 2017 um 390.000 auf 43,9 Millionen steigen. Die Arbeitslosenzahl nehme um 85.000 auf 2,8 Millionen zu, weil viele Flüchtlinge noch keine Jobs hätten.

Im Streit über die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) stärken die Institute EZB-Chef Mario Draghi den Rücken. Die Inflation im Euro-Raum sei zu niedrig, deshalb seien die Maßnahmen der EZB "angemessen". Die Notenbank hat ein Inflationsziel von nahe zwei Prozent, aktuell liegt die Preissteigerungsrate jedoch bei null.

Für eine Deflation - ein sich selbst verstärkender Prozess fallender Preise - gebe es zwar "aktuell keine Anzeichen", sagte Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Doch bevor es dazu komme, müsste die EZB ihre expansive Politik verstärken. Die EZB hat ihren Leitzins auf null gesenkt und kauft für zwei Billionen Euro Staatsanleihen, um das Wachstum anzukurbeln. Kritiker befürchten dadurch neue Spekulationsblasen.

Für Griechenland sei ein Schuldenschnitt "unvermeidbar", weil das Land aus eigener Kraft nicht in der Lage sei, seine Schulden zu begleichen. Ifo-Experte Wollmershäuser plädierte daher für den Abschied Griechenlands aus dem Euro.

(mar)
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