Düsseldorf Ikeas Schlüssel zum Erfolg

Düsseldorf · "Billy", "Ivar" und Bleistifte gratis - nach 40 Jahren in Deutschland ist der Einrichtungs-Konzern Ikea dank kluger Strategie aus den Wohnungen der Republik nicht wegzudenken. Das beschert den Schweden Milliarden-Umsätze.

Der Deutsche lässt sich nicht gerne von einem Fremden duzen. Und erst recht will er keinen Milliarden-Konzern zum Freund haben. Mit einem Unternehmen, das sich lange Jahre schwer damit tat, dass es Teile seiner Produkte einst von Zwangsarbeitern hat herstellen lassen, bleibt man sonst nicht gerne in Gesellschaft. Wer Köttbullar mit Pferdefleisch serviert, bei dem schlägt man sonst freundlich, aber bestimmt die nächste Einladung aus. Und wie soll man bitteschön eine Freundschaft zu jemandem aufbauen, über dessen frisch erworbene Werkstücke in deutschen Wohnstuben beim komplizierten Zusammenzimmern geflucht wird wie sonst nur beim Fußballgucken?

Warum lieben die Deutschen Ikea trotzdem?

"Eine starke Marke ist durch nichts zu ersetzen. Wenn die freundlich und transparent ist, dann hält das Image auch mal negative Schlagzeilen aus", sagt dazu Möbelhandels-Experte Timo Renz von der Münchner Unternehmensberatung Wieselhuber.

40 Jahre hat der schwedische Konzern in Deutschland an seiner Marke gearbeitet. Am 17. Oktober 1974 eröffnete der erste blau-gelbe Einrichtungsklotz in Eching bei München. Das war die Zeit, in der man in Deutschland die Wahl hatte zwischen der Wohnwand in Eiche rustikal und Gelsenkirchener Barock. Ikea aber kam mit "Ivar", "Billy" und "Ektorp" und einem ganz eigenen Erfolgsrezept: Möbel zum Selbstaufbauen per mitgeliefertem Inbusschlüssel. Und diese Möbel und andere Einrichtungsstücke haben auch noch putzige und vielsagende Namen wie "Poäng" (Sessel), "Viren" (Klobürste), "Näckten" (transparenter Duschvorhang). Präsentiert werden die Möbel in sorgsam inszenierten Wohn-Welten. Der Besuch soll ein Erlebnis sein, bei dem die Eltern ganz selbstverständlich die Kinder am Empfang im Spielparadies Småland abgeben und nachher Hot Dogs futtern. Gratis-Bleistifte, Papier-Maßbänder - selbst Kleinigkeiten sind genau durchdacht. Knut- und Midsommar-Feste, nichts anderes als Verkaufs-Kampagnen, sind irgendwie ganz nett und ein bisschen albern. "Die Marke Ikea ist aufgeladen mit Lifestyle, die Individualität in der Ansprache der Kunden unterscheidet sie von allen anderen. Ikea ist dadurch nicht kopierbar", sagt Renz. "Die Strategie heißt maximale Kundenorientierung. Ikea macht nichts, was dem Kunden keinen Nutzen bietet. Und das durchzieht die gesamte Wertschöpfung." Ikea hat es verstanden, im Alltag der Deutschen selbstverständlich, aber nicht aufdringlich zu sein. Seine Kunden zu Fans zu machen. In Umfragen und Studien gehört Ikea immer zu den beliebtesten Handelsunternehmen in Deutschland.

Binnen weniger Jahre schaffte es das Unternehmen so in beinahe jede Wohnung im Land. Der Konzern ist Marktführer. Die 3,99 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr bedeuteten einen Marktanteil von 13 Prozent. Heute, wenn Ikea die Zahlen für das jüngst abgelaufene Geschäftsjahr vorlegt, werden es wohl erstmals mehr als vier Milliarden Euro Umsatz in Deutschland sein. Die Konkurrenz ist über die Jahre zwar gewachsen. Roller und Poco im Discount-Bereich sowie Höffner und Lutz in den höheren Preissegmenten haben sich deutschlandweit breit gemacht. Hinzu kommen regionale Größen wie das Gladbacher Unternehmen Schaffrath. Der Markt wird enger, doch Ikea stört das nicht, sondern will weiter expandieren. "25 Prozent Marktanteil sind realistisch", sagt Peter Betzel, Geschäftsführer der deutschen Tochter. Weltweit strebt der Konzern bis 2020 einen Umsatz von 50 Milliarden Euro an, 20 Milliarden mehr als jetzt. Branchenkenner Renz traut dies Ikea durchaus zu: "Das Unternehmen wächst ohne Ende, obwohl der Gesamtmarkt stagniert."

Das Online-Geschäft galt noch vor wenigen Jahren nur als Ergänzung, Ikea glaubte lange daran, dass der Möbeleinkauf "etwas ist, was die Kunden persönlich machen". Der Markt hat die Manager etwas anderes gelehrt: Laut Handelsverband HDE nimmt der Anteil "Wohnen und Einrichten" am gesamten Online-Handel stetig zu. Multichannel-Strategien werden wichtiger, bei denen Kunden Ware online bestellen und im Markt abholen - oder umgekehrt. In Hamburg eröffnete Ikea deshalb 2014 erstmals einen Markt in Innenstadt-Lage.

Weil die Dichte an Einrichtungshäusern in Deutschland irgendwann keine weitere Expansion mehr zulässt, hat sich Ikea eben eine neue Zielgruppe vorgenommen: Die finanzkräftigeren Nicht-Mehr-Studenten über 35 Jahre, die keine Lust mehr auf das einfache Ektorp-Sofa haben. "Die Konkurrenz hat es bisher nicht verstanden, diese älteren Ikea-Kunden über 40 mit wertigerem Lifestyle-Format zu übernehmen", sagt Renz. "Ikea versucht jetzt, diese Leute mit mehr Wertigkeit an sich zu binden."

Auch Über-40-Jährige duzen sich mitunter.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort