IG-BCE-Chef Vassiliadis im Interview "Monsanto-Deal ist gut für Bayer und für die Welt"

Düsseldorf · Die IG Bergbau Chemie Energie ist ein Sonderfall unter den Gewerkschaften. Gestreikt hat sie in ihrer Hauptbranche, der Chemie-Industrie, zuletzt in den 70er-Jahren. Chef Michael Vassiliadis sprach mit unserer Redaktion über Stellenabbau und Kohleausstieg.

 IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis.

IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis.

Foto: dpa

Ihr Vorsitzender, der in Dormagen aufgewachsene Michael Vassiliadis, kämpft mit dem Problem, dass seine Organisation oft nur noch als Streiterin für die Braunkohle wahrgenommen wird.

RWE und Eon zerlegen Innogy, was 5000 Jobs kosten wird. Wussten die Gewerkschaften das, bevor sie dem Deal zugestimmt haben?

Vassiliadis Diese Zahl kommt ja vom Eon-Management. Die Verantwortlichen dort scheinen der Meinung zu sein, sie müssten rabiat auftreten, um dem Kapitalmarkt zu gefallen. Natürlich ist auch uns klar, dass es bei einem solchen Deal einen Stellenabbau geben wird. Das werden wir vernünftig miteinander besprechen.

Heißt das, sie rechnen mit einem geringeren Stellenabbau?

Vassiliadis Wie hoch die genaue Zahl sein wird, lässt sich seriös nur schwer sagen. Klar ist aber, dass wir dafür sorgen werden, dass es keine harten Kündigungen geben wird. Das ist bei der Größe der Unternehmen auch zu leisten - wenn man sich die entsprechende Zeit nimmt.

Kündigungen hat Eon-Chef Teyssen aber explizit nicht ausgeschlossen.

Vassiliadis Es mag ja sein, dass sich Herr Teyssen Spielraum erhalten oder sich als Manager mit harter Hand gerieren will. Hart können wir aber auch. Betriebsbedingte Kündigungen wären für uns eine rote Linie. Wir werden dafür sorgen, dass es nicht so weit kommt.

Wird die Konsolidierung auf dem Energiemarkt weitergehen?

Vassiliadis Ich erwarte jetzt keine weiteren vergleichbaren Schritte in der Branche. Allerdings ist auch klar, dass die Betreiber konventioneller Kraftwerke - und damit sind dann nicht nur die Konzerne sondern auch kleinere Stadtwerke gemeint - unter enormem Druck stehen. Wir benötigen jetzt eine Energiepolitik mit klaren Linien. Die Betreiber und Investoren konventioneller Anlagen müssen Planungssicherheit bekommen und keine illusorischen Wolkenkuckucksheim-Pläne.

Die große Koalition will eine Kohlekommission berufen. Sie soll ein Enddatum für den Kohleausstieg festlegen. Welches Jahr bieten Sie?

Vassiliadis Erst einmal gefällt mir das Wort "Kohlekommission" überhaupt nicht. Das ist ein Kampfbegriff der Naturschützer, der suggerieren soll, es gehe allein um eine Jahreszahl. Die Kommission muss viel mehr leisten, nämlich ganzheitlich die Folgen eines Ausstiegs aus der Kohle überprüfen. Wenn das eine Ausstieg-Show wird, werde ich mich nicht beteiligen. Wird dagegen offen und unideologisch darüber geredet, wie Klimaschutz, soziale Aspekte und Energiesicherheit unter einen Hut zu bekommen sind, beteilige ich mich gerne daran. Und zu der Frage des Ausstiegsdatums: Es gibt ja eines.

Und das wäre?

Vassiliadis Die Unternehmen haben gesagt, dass sie zwischen 2040 und 2045 ohnehin aussteigen. Deshalb sollten wir uns jetzt darauf konzentrieren, wie wir Industrie-Arbeitsplätze in die Lausitz und ins rheinische Revier bekommen. Allein mit Logistikzentren ist dort niemandem geholfen. Da gibt es von der Politik ja die Zusage von 1,5 Milliarden Euro. Die müssen es mindestens sein - ich gehe tendenziell von mehr aus.

Wie enttäuscht sind Sie, dass die Politik erneut Ihren Wunsch nach einem Energieminister ignoriert hat?

Vassiliadis Wir haben ja schon 2013 durchgesetzt, dass das Thema im Wirtschafts- und nicht im Umweltministerium angesiedelt ist. Das ist schon mal ein Anfang.

Der grüne Staatssekretär Rainer Baake gilt als einer der Architekten der Energiewende. Er hat nun Minister Altmaier um seine Entlassung gebeten. Wie erleichtert sind Sie?

Vassiliadis Ich habe mit Herrn Baake inhaltlich häufig über Kreuz gelegen, fachlich war er aber ganz stark und auch immer klar. Ich halte seinen Abgang für konsequent.

Das Verhältnis zwischen Grünen und der IG BCE gilt als belastet. Wird sich das unter der neuen Parteiführung ändern?

Vassiliadis Das hoffe ich zumindest. Vor der Bundestagswahl 2013 hatten wir ja ein gutes Verhältnis. Mit dem Atomausstieg kam die Fundamentalisierung der Grünen, weil ihnen ihr zentrales Thema weggebrochen ist. Deshalb haben sie sich mit so viel Verve auf die Kohle gestürzt.

Ein Thema, das auch bei Ihnen inzwischen vieles überlagert.

Vassiliadis Ja, aber das ist Unsinn. Wir sind weit mehr, und es ist verkürzt, uns als Kohle-Lobbyistin anzusehen. Dass wir beispielsweise auch diejenigen vertreten, die daran forschen, Krebs zu besiegen, wird in der Öffentlichkeit vielfach vergessen . . .

. . . und diejenigen, die Pestizide entwickeln und umstrittene Saatgut-Vertriebsmodelle betreiben. Die EU-Kommission hat Bayer gerade die Übernahme von Monsanto erlaubt. Wie beurteilen Sie den Deal?

Vassiliadis Wir haben uns das genau angeschaut. Natürlich kennen wir die Kritik, die vornehmlich von europäischen Interessenverbänden vorgebracht wird. Das Monsanto-Modell ist ja ein bisschen so, als würden Sie eine Kneipe aufmachen: Die Brauerei spendiert Ihnen den Tresen, dafür müssen Sie aber auch exklusiv deren Bier abnehmen. Aber wenn man das schlecht findet, muss man für den Deal sein.

Wieso das?

Vassiliadis Bayer hat das Profil und die Strategie, diese Themen zu befrieden und aus Monsanto wieder ein innovatives Unternehmen zu machen. Daraus kann was Gutes werden - für die Welt und für Bayer.

Wie schnell liegen die fehlenden Genehmigungen vor?

Vassiliadis Wenn die Amerikaner das nicht politisieren - und derzeit deutet nichts darauf hin -, erwarte ich, dass die Genehmigungen bald erteilt werden.

Befürchten Sie, dass es im Zuge der Monsanto-Übernahme und der Abgabe von Geschäftsbereichen an BASF zu Stellenstreichungen kommen könnte?

Vassiliadis Vereinzelt kann das geschehen, aber das werden keine hohen Hausnummern sein. Für Bayer haben wir ja frühzeitig mit den Arbeitgebern eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung getroffen. Und die Geschäftsfelder bei BASF ergänzen sich eher, als dass sie sich überlagern.

In den kommenden Tagen werden Sie die Forderung für die Tarifverhandlungen in der Chemie beschließen. Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Lage?

Vassiliadis Blendend. Das hören wir doch gerade auf jeder Bilanz-Pressekonferenz und jeder Hauptversammlung. Insofern sehe ich da auch überhaupt keinen Grund für Bescheidenheit.

Bislang war der Forderungs-Kanon bei sechs Prozent. Werden Sie darüber oder darunter liegen?

Vassiliadis Sie hören von mir jetzt keine Zahl. Wir befinden uns mitten in der Diskussion. Und es sieht so aus, als würden wir uns nicht auf eine reine Prozentforderung beschränken.

Die IG Metall hat schon vorgelegt und mit dem Thema Arbeitszeit gepunktet. Kommt diesbezüglich auch etwas von Ihnen?

Vassiliadis Wir sind ja bei dem Thema mit den Demografie-Tarifverträgen und aktuell mit dem "Potsdamer Modell" (siehe Infobox) im Osten schon seit Jahren dran und diskutieren das auch weiterhin. Ob das Teil der Tarifrunde wird, entscheidet die Tarifkommission zu gegebener Zeit. Es gibt aber noch ein weiteres Thema: Wir denken über Elemente einer sozialen Komponente nach, die insbesondere den unteren Entgeltgruppen zugutekommen.

Die IG BCE gilt ja nicht gerade als streikfreudig. Bis wann sind Sie fertig?

Vassiliadis Wir haben messerscharfe Argumente. Mit denen versuchen wir erst einmal die Operation in den drei Verhandlungsrunden durchzuführen.

Und wenn das nicht reicht?

Vassiliadis Wir würden nie Fahnen und Trillerpfeifen rausholen, nur um Show zu machen. Das passt nicht zur IG BCE. Aber wenn sich die Arbeitgeber unbeweglich zeigen, dann können wir auch auf der Straße viel Druck machen - und zwar so, dass die Botschaft auch ankommt.

Maximilian Plück führte das Interview.

(maxi)
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