Kritik an Hartz-IV-Sanktionen SPD für mehr Milde für junge Empfänger

Berlin · Hartz IV auf dem Prüfstand: Der Ruf nach weniger Sanktionen wird immer lauter. Den Arbeitgebern macht die ganze Hartz-Debatte dagegen Sorgen.

 Die SPD will junge Leute unter 25 künftig nicht mehr härter bestrafen.

Die SPD will junge Leute unter 25 künftig nicht mehr härter bestrafen.

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In der Debatte um die Zukunft von Hartz IV wird der Ruf nach einer spürbaren Entschärfung der Sanktionen lauter. Die SPD will junge Leute unter 25 künftig nicht mehr härter bestrafen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert eine generelle Lockerung der Hartz-Sanktionen.

"Verschärfte Sanktionen für junge Menschen sind keinesfalls sinnvoll, aber eine generelle Abschaffung von Sanktionen halte ich für schwierig", sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles der "Frankfurter Rundschau" am Donnerstag.

Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) betonte: "Wir halten an den Sanktionen im SGB II (Sozialgesetzbuch) fest." Wer die Solidarität der Gemeinschaft in Anspruch nehme, habe die Verpflichtung zur Mitwirkung, sagte er unserer Redaktion. Auch Nahles will am Prinzip "Fordern und Fördern" festhalten, wie sie sagte.

Nahles Nachfolger als Arbeitsminister, Hubertus Heil (SPD), will die Hartz-IV-Sanktionen überprüfen. Im vergangen Jahr war die Zahl der Sanktionen um rund 13.700 auf knapp 953.000 gestiegen.

Heil sagte der Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag): "Ich halte es nicht für sinnvoll, dass - wie es derzeit der Fall ist - für Jüngere strengere Regeln gelten als für Ältere. Oder dass das Wohngeld gekürzt wird und die Leute auf der Straße stehen." Grundsätzlich seien Kürzungen aber in Ordnung.

Rund drei Viertel der Sanktionen werden wegen Meldeversäumnissen verhängt - wenn also beispielsweise jemand einen Termin beim Jobcenter ohne wichtigen Grund nicht wahrnimmt. Menschen unter 25 Jahren sind von den Sanktionen stärker betroffen. Bereits der erste Verstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, hat eine hundertprozentige Sanktion der Leistung zur Folge.

Nahles hatte schon als Ministerin unter 25-Jährige nicht mehr strenger behandeln wollen als Ältere. Sie war aber vor allem am Widerstand Bayerns gescheitert.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die bestehenden Sanktionen drücken Menschen in extreme Notlagen und spielen jenen Arbeitgebern in die Hände, deren Geschäftsmodell auf prekärer und schlecht bezahlter Arbeit beruht." Hartz-IV-Bezieher müssten nur auf Arbeit mit sozialem Schutz und Tariflohn bestehen - schön könnte bei ihnen drastisch gekürzt werden.

Auch der Grünen-Sozialpolitiker Sven Lehmann ist für eine Entschärfung für Junge. "Aber die Forderung springt viel zu kurz." Ein Kurswechsel solle mehr Beratung und Vermittlung bringen. Der Präsident des Sozialverband Deutschland, Adolf Bauer, sagte: "Die aktuellen Regelungen wirken folgenschwer auf Millionen Betroffene." Insbesondere Ältere, Geringqualifizierte und Behinderte spürten das.

Gegenwind bekam Heil für seine Ankündigung, eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge zu prüfen. Der Sozialexperte der FDP-Fraktion, Pascal Kober, mahnte: "Sinnvoller als eine kleine Erhöhung der Regelsätze wäre es, die Einkommensmöglichkeiten zu verbessern, also die Zuverdienstgrenzen großzügiger zu bemessen, damit Hartz-IV-Empfängern mehr vom selbstverdienten Geld in der Tasche bleibt."

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mahnte die Politik, darauf zu achten, dass die Sozialleistungen erstmal erwirtschaftet werden müssen. Das Wort "Gerechtigkeit" komme im Koalitionsvertrag 91 mal vor, die Worte "Leistung, Freiheit, Wettbewerb" insgesamt deutlich seltener, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter in Berlin. Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, mahnte, die Sozialsysteme nicht schlecht zu reden. Wer Hartz IV schlecht rede oder eine Abschaffung verspreche, ohne dies einhalten zu können, schüre nur Verunsicherung der Bevölkerung.

Der Ostbeauftragte der Regierung, Christian Hirte (CDU), sagte der Super Illu: "Jemand der arbeitet, soll mehr haben als die, die nicht arbeiten." Hartz ermögliche einen Mindeststandard an Versorgung und auch Teilhabe. Der Sozialverband VdK Deutschland hingegen sieht eine Erhöhung als "wirksames Mittel im Kampf gegen Armut".

(eler)
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