Berlin Hälfte aller Azubis fühlt sich psychisch stark belastet

Berlin · Der deutsche Ausbildungsmarkt hat sich stabilisiert. Zum ersten Mal seit 2011 ist die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit 522.200 im Jahr 2015 etwa auf Vorjahresniveau geblieben. Das ist eine Erkenntnis des elften Ausbildungsreports, für den 13.603 Auszubildende der 25 beliebtesten Berufe befragt wurden und den der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gestern in Berlin vorstellte.

"Die Lage am Ausbildungsmarkt bleibt dennoch weiterhin angespannt", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack: "Nur noch jeder fünfte Betrieb bildet überhaupt aus, damit liegt die Zahl der abgeschlossenen Verträge weiterhin auf einem alarmierend niedrigen Niveau."

Dadurch seien im vergangenen Jahr auch erneut etliche Jugendliche und junge Erwachsene leer ausgegangen. Über 280.000 bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Bewerber hätten keinen Ausbildungsplatz gefunden, zusätzlich 270.000 steckten im Übergangssystem zwischen Schule und Ausbildung fest. Und dennoch bestünde die groteske Situation, dass in 2015 knapp 41.000 Ausbildungsstellen unbesetzt blieben. "Die meisten Unternehmen betreiben weiterhin eine Bestenauslese. Gerade einmal 65 Prozent der interessierten Hauptschüler haben überhaupt einen Ausbildungsplatz gefunden", erläuterte Hannack.

In diesem Jahr konzentrierte sich das Forscherteam insbesondere auf die psychische Belastung am Arbeitsplatz. Zwar zeigt sich ein Großteil der Befragten mit der Ausbildungsqualität zufrieden, nämlich rund 72 Prozent. Doch mehr als die Hälfte (50,8 Prozent) aller Azubis fühlt sich durch hohe Anforderungen und schlechte Arbeitsbedingungen stark bis sehr stark belastet. Zudem habe ein Viertel Probleme, nach Feierabend abzuschalten und sich zu erholen. Azubis in Berufen mit den schlechtesten Qualitätsbewertungen - dazu zählen Verkäufer, Hotelfachangestellte und Kaufleute im Einzelhandel - sind hohen Belastungen etwa viermal (24,9 Prozent) häufiger ausgesetzt als Auszubildende in qualitativ gut bewerteten Berufen wie Mechatroniker oder Industriemechaniker (6,3).

"Negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind daher wenig verwunderlich", stellte DGB-Bundesjugendsekretär Florian Haggenmiller klar. Auszubildende, die über schwerwiegende Belastungen klagen, seien demnach häufiger krankheitsanfällig. Dennoch halte dies 60 Prozent der stark belasteten Azubis nicht davon ab, auch krank zur Arbeit zu gehen.

Unter anderem auch deshalb fordert Haggenmiller von der Politik eine Novellierung des Berufsausbildungsgesetzes, um Druck auf die Arbeitgeber auszuüben: "Wenn die Verantwortlichen jetzt nicht handeln, wird das duale Ausbildungssystem an die Wand gefahren. Das ist absolut fahrlässig."

(p-m)
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