Die Ökonomin Gold wird maßlos überschätzt

Das Edelmetall hat keinen Wert an sich. Aus gutem Grund haben die Länder den schädlichen Goldstandard aufgegeben. Auch zur Sicherung des Euro ist es überflüssig.

Kaum etwas beflügelt die Fantasie der Deutschen so wie Gold – das in ihrem Bank-Schließfach ebenso wie das in den Tresoren der Deutschen Bundesbank. 3396 Tonnen besitzt die Notenbank. Und nun sorgen sich Experten für Verschwörungstheorien wie Peter Gauweiler (CSU) und Philipp Mißfelder (CDU) um das Edelmetall – vor allem um die Teile, die die Bundesbank im Ausland lagert. Als wenn die amerikanische Notenbank, einem Taschendieb gleich, jede Woche ein paar Barren mopst und zu Geld macht.

Tatsächlich wird Gold maßlos überschätzt, als Anlage für den Privatmann ebenso wie bei der Sicherung des Euro. Gold hat keinen Wert an sich. Keine Ware hat einen Wert an sich, der Wert ergibt sich stets aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage.

Gold gilt vielen als sicherer Hafen in unruhigen Zeiten, dabei ist es eine hochspekulative Anlageform. Denn es wirft keine Zinsen ab. Wer sein Geld in Gold anlegt, muss auf steigende Preise in der Zukunft hoffen. Eine riskante Wette. Erst Recht brauchen Notenbanken kein Gold, um ihre Währungen abzusichern. Den so genannten Goldstandard haben die Länder schon lange aufgegeben. Früher richtete sich die Zahl der gedruckten Scheine danach, wie viel Gold die Notenbanker im Keller hatten. Das Recht, das Papiergeld jederzeit in Gold umtauschen zu können, sollte Vertrauen in die Währungen schaffen.

Doch schon 1923 nannte der britische Ökonom John Maynard Keynes den Goldstandard ein "barbarisches Relikt". In der Weltwirtschaftskrise wurde Keynes' Befürchtung wahr: Eigentlich hätten die Zentralbanken nach dem Börsencrash 1929 die Märkte mit Geld fluten müssen, um Konsumenten und Investoren zu beruhigen. Doch dafür hatten die Währungshüter zu wenig Gold in den Tresoren und zu wenig Krisen-Sachverstand im Kopf. Die Weltwirtschaft rutschte in eine lange Depression. Auf der Währungskonferenz 1944 im US-Städtchen Bretton Woods wurde der Goldstandard offiziell begraben.

Heute kann die Europäische Zentralbank (EZB) theoretisch so viel Geld drucken, wie sie will. Sie erhöht, vereinfacht gesprochen, per Mausklick den Dispo-Kredit, den sie Sparkassen und Privatbanken einräumt. Auf das Goldvermögen kommt es nicht an. Heute sorgen Gesetze dafür, dass Notenbanken ihr Privileg, Geld drucken zu dürfen, nicht missbrauchen. Gesetze verpflichten die EZB, nur so viel Geld zu schaffen, dass die Inflationsrate zwei Prozent nicht übersteigt.

An die Stelle der Absicherung der Währung durch ein mythisches Metall ist die Absicherung durch demokratisch erlassene Gesetze getreten. Daher ist es fast egal, wie viele Tonnen Gold die Bundesbank wo liegen hat. Völlig unnötig ist es, die Barren händisch nachzuzählen oder gar einschmelzen zu lassen, um sie auf Echtheit zu überprüfen. "Am Golde hängt doch alles", ließ Goethe Gretchen im "Faust" seufzen. Abgeordnete im 21. Jahrhundert sollten da weiter sein.

Antje Höning (45) ist Leiterin der Wirtschaftsredaktion. Sie schreibt an dieser Stelle im wöchentlichen Wechsel mit Martin Kessler.

(RP)
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