Berlin Gewinner und Verlierer des Energie-Pakets

Berlin · Beim Klimabeitrag kommt die Bundesregierung den Versorgern entgegen. Bei der geplanten Atomstiftung zieht sie aber die Daumenschrauben an. Die CSU geht als Sieger aus dem Stromtrassen-Streit hervor und bekommt Gas-Kraftwerke.

Berlin: Gewinner und Verlierer des Energie-Pakets
Foto: Schnettler

Die Niederlage wusste Sigmar Gabriel wenigstens zu inszenieren. Die Pressekonferenz zur Einigung im Energiestreit begann der Bundeswirtschaftsminister mit einem Zitat von Ludwig Erhard: "Entscheidungen setzen Konflikte voraus, die entschieden werden müssen." Gabriel nannte den zuvor mit den Chefs von CDU und CSU gefundenen Kompromiss ein "historisches Paket für die Energiewende". Bisher hätte diese nur Zahnräder gehabt, jetzt habe sie ein Uhrwerk. Die Eckpunkte:

Klimaschutz Weil Deutschland droht, sein Klimaziel zu verfehlen und den Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) nicht um 40 Prozent gegenüber 1990 senken kann, soll der Bereich Energie einen höheren Beitrag leisten. Der Ausstoß an CO2 soll um 22 Millionen Tonnen sinken, dazu sollen die Braunkohle-Kraftwerke elf Millionen Tonnen beitragen. Deshalb sollen nun 2,7 Gigawatt und damit 13 Prozent der deutschen Braunkohle-Kapazität vom Netz und in eine Reserve gehen. Hierfür sollen die Stromkunden den Versorgern einen Ausgleich zahlen. Daneben sollen klimafreundliche Kraftwerke (Kraft-Wärme-Koppelung, KWK) ausgebaut werden, was vier Millionen Tonnen CO2 spart.

Weitere 5,5 Millionen Tonnen sollen durch mehr Energieeffizienz bei Gebäuden,der Bahn und in Städten eingespart werden. So könnten etwa mehr LED-Lampen in die Straßenbeleuchtung eingebaut werden. Diese Effizienzverbesserungen sollen mit 1,2 Milliarden Euro Steuergeld gefördert werden - pro Jahr. "Finanzminister Schäuble war bei dem Treffen im Kanzleramt dabei. Sonst wäre das Papier wohl sinnlos gewesen", betonte Gabriel.

Die RWE-Aktie legte um über vier Prozent zu, die Eon-Aktie um zwei Prozent. "Es ist gut, dass der Klimabeitrag nicht zum Tragen kommt. Er hätte unweigerlich zu vielen Kraftwerksschließungen und Strukturbrüchen in den Braunkohlenregionen geführt", sagte Matthias Hartung, Chef der Kraftwerkstochter RWE Power, unserer Zeitung. Zugleich forderte er eine "faire Vergütung" für Kraftwerke in der Reserve.

Stromtrassen Als Sieger der Nachtsitzung darf sich die CSU fühlen. Zwar verständigten sich die Parteichefs darauf, dass zwei Gleichstromleitungen in den Süden gebaut werden. Sie ließen den genauen Verlauf aber offen. Nach Berechnung von Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner konnte die Länge der in Bayern neu zu bauenden Trassen von ursprünglich geplanten 420 auf 30 Kilometer reduziert werden. Alles andere werde gestrichen, auf Bestandstrassen oder unterirdisch verlegt. Und auch das wird den Verbraucher belasten. Nach Aigners Berechnung würde der Strompreis um 0,15 Cent steigen, wenn in Bayern alle Neubautrassen unter die Erde verlegt würden. Zudem bekommt Bayern wie gewünscht ab 2021 drei neue Gaskraftwerke. Auch das Eon-Kraftwerk Irsching soll über Subventionen weiter betrieben werden. Das darf ebenfalls der Stromkunde bezahlen.

Atomfonds Ganz geschlagen geben sich Gabriel und sein grüner Staatssekretär Rainer Baake aber nicht. Als letzten Punkt haben sie in das 13-seitige Einigungspapier Regelungen zum Atomfonds hineinverhandelt, die für die Versorger noch teuer werden könnten. So lässt der Bund in einem Stresstest bis September untersuchen, ob die Rückstellungen der Konzerne (36 Milliarden Euro) ausreichen und mit sicheren Werten hinterlegt sind. Da Kraftwerke, in denen Rückstellungen gebunden sind, immer weniger wert werden, könnte hier manche Luftbuchung zutage kommen.

Zudem will die Koalition eine Kommission einsetzen, die bis November Wege finden soll, wie die Haftungsmasse gesichert werden kann. In Rede stehen die Überführung der Rückstellungen in eine Atomstiftung (mit Haftung des Bundes) oder einen Atomfonds (ohne Bund). Hoffnung auf Entlastung können sich die Versorger nicht machen. "Wir gehen vom Grundsatz aus, dass die Kosten für Stilllegung, Rückbau, Zwischen- und Endlagerung von den Verursachern getragen werden", heißt es in dem Papier.

(anh/jd/may-)
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