Berlin Die wahren Gründe für die Lohnlücke

Berlin · Das Institut der deutschen Wirtschaft sieht keinen staatlichen Handlungsbedarf für eine gerechtere Bezahlung von Frauen in Deutschland. Ministerin Schwesig (SPD) verteidigt ihr Gesetzesvorhaben gegen die Studie.

Gehaltsunterschied Mann/Frau: Die wahren Gründe für die Lohnlücke
Foto: Weber

Frauen in Deutschland verdienen im Schnitt 6,6 Prozent weniger als Männer, wenn man Faktoren wie Branchenzugehörigkeit, Teilzeittätigkeit und den Anteil an Führungsaufgaben berücksichtigt. Zu diesem Ergebnis kommt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer neuen Studie, die es gestern in Berlin vorstellte. Die Lohnlücke in Deutschland sei damit geringer als in den meisten EU-Ländern, nur in Dänemark, Belgien, der Schweiz und den Niederlanden sei sie noch geringer. Beziehe man weitere Faktoren wie die geringere Berufserfahrung von Frauen mit ein, bleibe nur noch eine Lohnlücke von 3,8 Prozent. "Der Politik fehlt damit die entscheidende Begründung für das Lohngerechtigkeitsgesetz", resümierte IW-Chef Michael Hüther in Berlin.

Ohne die genannten Faktoren lag die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen - der so genannte Gender Pay Gap (GPG) - nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2015 bei rund 21 Prozent. Diese erhebliche Lücke dient der großen Koalition als wichtigstes Argument für das geplante Gesetz zur Entgeltgleichheit. Der Entwurf von Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht etwa vor, dass alle Arbeitnehmer ein Recht darauf bekommen sollen, im Betrieb Auskunft über das mittlere monatliche Gehalt (Median) von mindestens fünf Kollegen einer Vergleichsgruppe zu erhalten. Arbeitgeber würden verpflichtet, innerhalb eines Monats schriftlich Auskunft darüber zu geben.

Schwesig erhofft sich davon eine bessere Verhandlungsposition für Frauen beim Gehaltsgespräch. Die Union ist jedoch strikt gegen einen breiten Auskunftsanspruch und legt den Koalitionsvertrag so aus, dass die Regelung nur in Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern gelten soll. Das wiederum lehnt die SPD mit dem Hinweis ab, dann seien nur rund 20 Prozent der deutschen Betriebe erfasst.

Gegen die Auskunftspflicht läuft aber auch die Wirtschaft Sturm. Es war also keine Überraschung, dass sich das arbeitgebernahe Institut dem anschloss. Das Gesetz suggeriere einen Handlungsbedarf, den es in Wahrheit gar nicht gebe, sagte IW-Chef Hüther. Der hohe Teilzeit-Anteil der Frauen - fast jede Zweite arbeitet heute nicht in Vollzeit - sei "überwiegend auf familiäre und persönliche Verpflichtungen zurückzuführen und nur selten darauf, dass keine Vollzeitarbeitsplätze zur Verfügung standen". Teilzeitstundenlöhne seien geringer als Vollzeitstundenlöhne, weil Arbeitgeber bei Vollzeitkräften oft mehr Berufserfahrung und Karrierebereitschaft annehmen würden. Beruflicher Aufstieg erfordere häufig hohes zeitliches Engagement. Dass die Kindererziehung oder die Pflege von Familienangehörigen überwiegend von Frauen geleistet werde und sie deshalb nur einen Teilzeitjob hätten, sei eine private Entscheidung in der Familie oder in der Partnerschaft. Hier dürfe der Staat nicht hineinregieren, so das IW.

Eine Sprecherin aus Schwesigs Ministerium reagierte prompt: "Es ist doch offensichtlich, dass das Problem der Lohnlücke kleingeredet und kleingerechnet wird", sagte sie. Die Lohnlücke sei "keine private Entscheidung" sondern habe etwas mit verkrusteten Strukturen zu tun.

Tatsächlich ist es auch in anderen Untersuchungen üblich, die Gehaltslücke von 21 Prozent durch Faktoren wie Teilzeittätigkeit, Branchenzugehörigkeit und Führungsverantwortung auf einen statistischen Rest von zwei bis sieben Prozent zu reduzieren. Dieses Phänomen wird oft damit erklärt, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen zurückhaltend seien. Manche Studien kommen aber zu dem Schluss, dass es eine geschlechtsspezifische Diskriminierung in Betrieben gibt. Dafür spricht ein Befund des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Bei Arbeitnehmern in leitender Stellung hat das DIW einen besonders hohen Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern von 26 Prozent festgestellt. Je niedriger dagegen die Position im Betrieb, desto mehr gehe der Unterschied zurück. Für Fachkräfte liege er bei gut zehn Prozent, für Ungelernte bei 7,5 Prozent.

(jd/mar)
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