Havanna Gabriel pilgert nach Kuba

Havanna · Das sozialistische Regime ist reformwillig, Unternehmer in aller Welt wittern das große Geschäft. Der Wirtschaftsminister reist mit 60 Mittelständlern nach Kuba. Doch das schnelle Geld ist nicht zu erwarten.

Kubas Außenwirtschaftsminister Rodrigo Malmierca ist ein stämmiger Mann. Mit gleichgültiger Miene sitzt er auf dem Podium im Prestigehotel Nacional in Havanna. Malmierca nickt kurz, als ihn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nach Deutschland einlädt. Der Vizekanzler steht an einem Pult und gibt sich alle Mühe, die Vorzüge des deutschen Mittelstands zu betonen. Familiengeführt, innovationsfreudig, weltweit gut im Geschäft - nur eben kaum mit dem sozialistischen Inselstaat. "Wir möchten unsere politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Kuba auf eine neue Grundlage stellen", sagt Gabriel. Man komme dabei, was wirtschaftliche Fragen angeht, nicht als Besserwisser nach Kuba, sondern als Partner, so der Minister und SPD-Chef. Noch bis heute Abend ist Gabriel auf Werbereise mit einer rekordverdächtigen Managerdelegation aus Deutschland. Gleich 60 Vertreter von meist mittelständischen Unternehmen begleiten ihn. Sie passten nur in den größten Airbus der Bundesregierung.

Kubas Minister Malmierca hat derlei Vorträge schon oft gehört, allein in den ersten zwei Oktoberwochen 2015 gaben sich 25 internationale Delegationen in Havanna die Klinke in die Hand.

Kuba öffnet sich für ausländisches Kapital. "Aktualisierung des Wirtschaftssystems" nennt das die Einparteienregierung unter der Herrschaft des 84-jährigen Raúl Castro, Bruder von Revolutionsführer Fidel Castro (89). Vor gut einem Jahr begann die Annäherung zwischen dem jüngeren Castro und US-Präsident Barack Obama nach jahrzehntelanger Feindschaft beider Länder. 1959 jagte die sozialistische Revolution Castros den damaligen Diktator von amerikanischen Gnaden, Fulgencio Batista, vom Hof. Die Planwirtschaft kam, das US-Embargo auch. Doch während das Regime weiter fest im Sattel sitzt und mit Repressionen wie kurzzeitigen Verhaftungen die Bevölkerung an der kurzen Leine hält, kommt bald eine neue, ökonomische Revolution nach Kuba. Davon sind schon länger US-Unternehmen überzeugt. Nun haben auch deutsche Manager verstanden, welche Chancen im Handel mit dem Elf-Millionen-Volk Kubas schlummern.

Die meisten Unternehmer, die mit dem Wirtschaftsminister gereist sind, vertreten Firmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik und Gesundheitsversorgung. Unter ihnen ist auch Christian Diemer, Chef der Düsseldorfer Heitkamp und Thumann AG, der gerne Teile für Asthma-Inhalatoren an einen kubanischen Hersteller liefern würde.

Gabriel sagt, "Made in Germany" genieße in Kuba einen exzellenten Ruf. Das liegt auch an den einst engen Banden zwischen Kuba und der DDR. In Havanna begegnet man immer wieder Kubanern, die fließend Deutsch sprechen.

Doch die Kaufkraft der kubanischen Bevölkerung ist gering: Etwas mehr als 20 Dollar verdient ein Kubaner im Schnitt pro Monat. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr liegt bei mageren 6600 Euro, in Deutschland sind es 35.000 Euro. Zudem haben westliche Unternehmen - bei aller Reformbereitschaft Kubas - mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die 50 deutschen Firmen, die bereits auf Kuba tätig sind, klagen über mangelnde Rechtssicherheit bei Investitionen, unübersichtliche Eigentumsregelungen und hohe Einfuhrzölle. Personal kann nur über staatliche Agenturen eingestellt werden. Als das Wirtschaftsministerium für Gabriels Reise den Besuch einer Tabakfabrik aufs Programm nehmen wollte, winkten die Kubaner zunächst ab: Bis zum 24. Januar machen alle Zigarrenfabriken offiziell Ferien.

Doch trotz aller Widrigkeiten ist der Investitionswille der Unternehmen groß. Kuba liegt strategisch günstig. Praktisch die gesamte Infrastruktur muss erneuert werden, das verheißt Aufträge. Und Kuba ist ein Sehnsuchtsort, ein fast magischer Platz zwischen sowjetischer und amerikanischer Nostalgie der 50er Jahre. Gabriels wichtigster nächster Schritt: ein deutsches Kontaktbüro für Manager in Havanna einzurichten. Auch dazu nickte Kubas Handelsminister Malmierca leicht mit dem Kopf.

(jd)
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