Frankfurt Für die Börse ist Macron nur ein Etappensieg

Frankfurt · Die Frankreich-Wahl treibt den Dax nur kurz zum Rekord. Die Anleger hatten Macrons Sieg schon eingepreist. Nun geht der Blick nach vorne. Die Investoren sorgen sich um die ungelöste Euro-Krise.

An den Finanzmärkten war die Erleichterung groß nach dem Sieg Emmanuel Macrons in der französischen Präsidentschaftswahl. Doch die Aktienmärkte atmeten nur kurz durch: Der Dax war zwar zum Börsenstart auf ein Rekordhoch von 12.762 Punkten geklettert, er bröckelte im Tagesverlauf jedoch wieder ab und schloss sogar leicht im Minus bei 12.695 Zählern. Börsianer begründeten das damit, dass die Anleger den Wahlsieg Macrons schon nach dem Gewinn im ersten Wahlgang eingepreist hatten.

Der Kurs des Euro stieg zwar im frühen Handel auf 1,10 Dollar, doch auch er gab er im weiteren Verlauf wieder nach. Der Jubel sei die Erleichterung darüber gewesen, dass Marine Le Pen tatsächlich nicht gewonnen habe, argumentierten Börsianer. Ihr Blick geht nun nach vorn: Wie wird der künftige Präsident die Herausforderungen angehen?

Davon gebe es viele, meint Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank, und nennt vor allem die verschleppte Strukturpolitik: Der Arbeitsmarkt sei verkrustet, die Arbeitslosigkeit zu hoch. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt sogar bei 23 Prozent "unerträglich hoch", meint Christoph Weil, Frankreich-Experte der Commerzbank.

Da müsse Macron Reformen angehen, glaubt auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI): Er fordert Macron zu raschem Handeln auf. Seine größte Aufgabe sei es, die Franzosen hinter seinem Reformprogramm zu versammeln. An diesem Punkt war schon der scheidende Präsident Francois Hollande gescheitert, der wegen der Gewerkschaftsproteste seine Versprechen aus dem Wahlkampf nicht umsetzen konnte. Aus Sicht der deutschen Wirtschaft müsse auch Frankreich vor allem den Kündigungsschutz lockern und Investitionen fördern, um Wachstum zu erleichtern - die Strukturreformen also nachholen, die in Deutschland mit der Agenda 2010 umgesetzt worden waren.

Sorgen machen sich die Anleger jedoch um die Durchsetzungskraft des jugendlichen Präsidenten: Da stehen zunächst noch die Parlamentswahlen im Juni an. Da sollte Macron mit seiner neuen Bewegung "En Marche" zwar einige hundert Sitze gewinnen können, glaubt der Ökonom Hendrik Enderlein, Direktor des Berliner Jacques Delors Instituts. Doch für eine absolute Mehrheit der insgesamt 577 Sitze dürfte es wohl nicht reichen.

Keine Mehrheit in Sicht und ein zögerliches Programm - das spreche gegen eine beherzte Reformpolitik in Frankreich, sagt auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Macron will zwar die Arbeitslosenversicherung umbauen, die künftig nicht mehr von den Tarifpartnern, sondern vom Staat verwaltet werden soll. Doch die sei mit einer Bezugsdauer von 24 Monaten zu großzügig, meinen deutsche Wirtschaftsvertreter. Unternehmen sollen zudem steuerlich entlastet werden, um das Wachstum anzukurbeln.

Robert Halver von der Baader Bank rechnet damit, dass Macron zur Finanzierung versuchen werde, den Europäischen Stabilitätspakt aufzuweichen und mehr Schulden zuzulassen - auch mit Eurobonds. Eurobonds würden eine Vergemeinschaftung der Schulden im Euroraum bedeuten. Dagegen sprach sich die deutsche Bundesregierung gestern abermals aus: "Ich kann Ihnen zu all dem nur sagen, dass die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu Euro-Bonds weiterhin besteht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

"Der Euroraum kommt nicht zur Ruhe", sagt Krämer. Das spiegelt sich auch in den Wirtschaftsdaten wider, die weiter ein gespaltenes Europa zeigen (Grafik). Und nach der Wahl in Frankreich ist vor der Wahl in anderen Ländern. Spätestens im Mai 2018 stehen Parlamentswahlen in Italien an, wo das Lager der Links- und Rechtspopulisten ähnlich stark sei wie in Frankreich.

Auch in Griechenland kehrt keine Ruhe ein. Nun bekommt das Land zwar die nächste Tranche Hilfsgelder und kann eine im Juli drohende Staatspleite abwenden. Doch die zugesagten Reformen sind weiter nicht umgesetzt.

(RP)
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