Paris Frankreich droht der Stromausfall

Paris · Ein Dutzend Atomkraftwerke sind in Frankreich derzeit nicht in Betrieb, weil sie auf mangelhaften Stahl hin überprüft werden. Im Winter könnte es deshalb zu Energieknappheit kommen. Die Krise könnte auch Deutschland treffen.

Seit kurzem sind die Bäume entlang der Champs-Elysées wieder dicht mit Lichterketten behängt. Der Strom für die kleinen Lämpchen der Weihnachtsbeleuchtung kommt von der Solaranlage Thémis in den Pyrenäen und nicht aus einem der 58 Atomreaktoren Frankreichs. Damit hat die Pariser Stadtverwaltung eine gute Entscheidung getroffen, denn ausgerechnet im Land der Nuklearenergie könnte in diesem Winter der Atomstrom knapp werden. "Gibt es Strom an Weihnachten?", fragte die Zeitung "Le Figaro". "Ein Blackout kann nicht ausgeschlossen werden", sagt die Atomexpertin von Greenpeace Deutschland, Susanne Neubronner. Der Grund: Mangelhafter Stahl in den Dampferzeugern führte zur Überprüfung von zwölf Reaktoren, darunter auch in Fessenheim an der Grenze zu Deutschland. Mindestens einen Monat lang bleiben sie abgeschaltet, wie der Chef der Atomsicherheitsbehörde ASN, Pierre-Franck Cheve, ankündigte. Acht weitere Meiler werden einer Jahresrevision unterzogen, so dass gut ein Drittel der französischen AKW erst einmal ausfällt.

Der Netzbetreiber RTE warnte bereits Anfang November vor Engpässen, die vor allem die Heizung treffen könnten. Denn in Frankreich, wo 75 Prozent der Energie aus Atomkraftwerken kommt, heizt ein Drittel der Haushalte mit Strom.

"Bei starken und anhaltenden Kältewellen, bei denen die Werte unter Normalmaß sinken, könnte RTE zu außergewöhnlichen Maßnahmen gezwungen sein", erklärte der Betreiber. Dazu könnte auch eine stundenweise Stromabschaltung in einigen Regionen gehören. Es wurde eine App vorgestellt, die die Haushalte warnt. Die sollen dann die Heizung herunterdrehen, unnötiges Licht ausschalten und darauf verzichten, die Waschmaschine in Stoßzeiten anzustellen.

Neben dem Energiesparen bleibt Frankreich der Stromimport aus dem Ausland, um seinen Bedarf im Winter zu decken. Frankreich habe auf dem internationalen Strommarkt eine Importkapazität von 12.000 Megawatt, also 13 Reaktoren, schreibt die Zeitung "Le Monde". Als Importländer kämen Großbritannien, Belgien, Deutschland, die Schweiz, Italien und Spanien in Frage - "vorausgesetzt, dass diese einen Produktionsüberschuss haben".

Schon im Oktober musste Frankreich laut RTE 40 Prozent mehr Strom importieren als im vergangenen Jahr. Die Exporte fielen um 89 Prozent. Die Probleme der Reaktoren trieben auch die Strompreise nach oben: Sie erreichten Spitzenwerte von mehr als 100 Euro pro Megawattstunde. Im September lag der Durchschnittspreis noch bei rund 40 Euro pro Megawattstunde.

Deutschland lässt sich als westlicher Nachbar nicht von der Krise abkoppeln. So ist der Preis für Strom an der Leipziger Strombörse in den letzen Wochen deutlich gestiegen - gerade Elektrizität zu Zeiten besonders hoher Nachfrage wird teurer. Die Notierungen im November waren höher als in den zwei Vorjahren zur gleichen Zeit - auch ein Indiz für die Verkoppelung.

Der Netzbetreiber Amprion ist alarmiert: Die schlechte Versorgungslage in Frankreich wirke sich auf die Auslastung der "Stromleitungen in Richtung Frankreich" aus, erklärt das Dortmunder Unternehmen. Das führe zu Belastungen, die aber "beherrschbar" seien.

Dabei ist bekannt, vor welcher Situation die Branche sich am meisten sorgt: An einem kalten, bewölkten Wintertag könnten sowohl Solar- und Windstrom gleichzeitig fast komplett wegfallen, während der Stromverbrauch so hoch ist wie selten. Dann würde der Strom insgesamt knapp, eine Kettenreaktion droht von Land zu Land - so wie 2006, als Netze in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien zeitweise ausfielen, nachdem Eon eine Hochspannungsleitung abgeschaltet hatte. Amprion erklärt dazu: "Amprion ist mit dem französischen Netzbetreiber RTE in Gesprächen, um sich auf eine extreme Wetterlage und mögliche Versorgungsengpässe in Frankreich vorzubereiten."

(RP)
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