Frankfurt Finanzsteuer - der zweite Versuch

Frankfurt · Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und neun Kollegen wollen einen neuen Anlauf nehmen. Auch diesmal ist nicht einmal die gesamte Euro-Gruppe unter einen Hut zu bekommen. Was die Steuer bedeutet und wem sie hilft.

Frankfurt: Finanzsteuer - der zweite Versuch
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Sie war fast zum Ladenhüter verkommen. Doch nun haben sich zehn EU-Finanzminister grundsätzlich darauf verständigt, bis Jahresende einen Gesetzentwurf für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer vorzulegen.

Was bedeutet die Steuer?

Eine solche Steuer wird auf Börsengeschäfte erhoben. Schon 1972 brachte der amerikanische Ökonom James Tobin diese Idee auf. Seit der Finanzkrise 2008 wird sie wieder intensiver diskutiert. Die Steuer wird wie eine Mehrwertsteuer auf den Handel mit Finanzprodukten erhoben, etwa auf Aktien oder Derivate.

Warum soll sie eingeführt werden?

Die Politik möchte mit einer solchen Steuer vor allem die Finanzindustrie an den Kosten künftiger Finanzkrisen beteiligen und die Spekulation eindämmen. Dahinter steht also vor allem das Bemühen der Politik, nicht nur den Steuerzahler mit den negativen Folgen von Spekulation zu belasten. Gleichzeitig würde eine solche Steuer die Staatskassen füllen.

Warum sind nicht alle EU-Länder zur Einführung bereit?

Einige Staaten befürchten höhere Refinanzierungskosten für ihre Staatsschulden. Andere wie Großbritannien erwarten Nachteile für die Finanzindustrie und Ausweichbewegungen. Geschäfte würden an andere Finanzplätze ausgelagert.

Was könnte die Steuer einbringen?

Darüber gibt es noch keine Klarheit. Die EU-Kommission schätzt die Einnahmen auf bis zu 22 Milliarden Euro pro Jahr. In einem ersten Schritt könnten über eine Aktienbesteuerung 4,6 Milliarden Euro, über eine Besteuerung von Finanzderivaten 15 Milliarden Euro pro Jahr eingenommen werden. Danach könnten die Steuereinnahmen auf 5,7 bzw. 16,2 Milliarden Euro steigen. Der Europa-Abgeordnete der Grünen Sven Giegold erwartet allein für Deutschland Milliardeneinnahmen. Allerdings müsse man im Einführungsjahr mit 7,6 Millionen Euro an Kosten rechnen, in den Folgejahren mit 1,6 Millionen Euro.

Wofür würde das Geld verwendet?

Auch darüber gibt es noch keine Klarheit. Neben der Vorsorge für Krisen sollten die Steuereinnahmen etwa zur Armutsbekämpfung als auch zur Förderung des Klimaschutzes eingesetzt werden, fordern Befürworter der Steuer.

Wer wird zur Kasse gebeten?

Das sollen vor allem große Investoren sein. Verbraucher und Kleinanleger sollen möglichst geschont werden. Dafür könnte man Freibeträge einführen. Doch viele Kleinanleger sparen etwa über große Investmentfonds: Sie kaufen Anteile über Sparpläne, sie halten Lebensversicherungen oder etwa die Riesterrente. Banken, Versicherer und Vermögensverwalter könnten deshalb versuchen, ihren Steueranteil auf ihre Kunden abzuwälzen.

Erwischt man also die Falschen?

Diese Gefahr besteht bei einer ungeschickten Ausgestaltung der Steuer. Denn große, sogenannte "institutionelle" Investoren wie Fonds -und Versicherer könnten eben auf andere Plätze ausweichen. Mancher Beobachter bezeichnet deshalb diese Steuer schon spöttisch als Förderung des Finanzplatzes London: Die Briten waren schon vor dem Brexit-Referendum gegen eine solche Steuer, weil sie die Londoner Finanzindustrie heftig treffen würde.

Bringt die Einführung einer Steuer in nur einigen Ländern überhaupt was?

Es ist ein Anfang. Doch vor allem die angloamerikanische Finanzindustrie dürfte kaum davon zu überzeugen sein, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Wirklich wirksam wäre sie nur, wenn sie weltweit erhoben würde.

(RP)
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