Niedrigzinspolitik Union kritisiert die EZB — SPD und Ökonomen empört

Berlin · Die SPD und mehrere Top-Ökonomen haben kein Verständnis für die wachsende Kritik der Union an der Europäischen Zentralbank (EZB).

EZB: Der Werkzeugkasten der Zentralbank
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Foto: dpa, dan cul vfd

"Das ist ein bezeichnender Beleg für den Zustand der politischen Kultur", sagte SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider. "Die zu einseitige und häufig emotionale Kritik an der EZB ist falsch und schadet der Glaubwürdigkeit der EZB", sagte auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, Marcel Fratzscher.

Die EZB hat ihren Leitzins auf null gesenkt. Zudem will sie fast zwei Billionen Euro für den Ankauf von Staatsanleihen ausgeben, um die Kreditvergabe der Banken anzukurbeln und die Deflationsgefahr im Euro-Raum zu bekämpfen. Die Wirkungen sind bislang begrenzt. Allerdings weiß auch niemand, ob ohne die bisherigen EZB-Maßnahmen eine gefährliche Deflationsspirale mit rückläufigen Preisen und Löhnen bereits eingetreten wäre.

CDU und CSU halten den Kurs von EZB-Präsident Mario Draghi jedoch für zu expansiv. Sie befürchten das Entstehen neuer Spekulationsblasen durch die Flut billigen Geldes. Zudem gefährdet die Nullzinspolitik der Notenbank aus Sicht der Union die Altersvorsorge vieler Bürger, deren Ersparnisse über Jahre keine oder nur geringe Renditen abwerfen.

Auf einer Veranstaltung hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Freitag zwar betont, es sei wichtig, die Unabhängigkeit der Notenbank zu respektieren. Dennoch machte Schäuble die EZB für den Erfolg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) verantwortlich: "Ich habe Mario Draghi gesagt: Sei ganz stolz. 50 Prozent des Ergebnisses einer Partei, die neu und erfolgreich zu sein scheint in Deutschland, kannst du den Auslegungen dieser Politik zuschreiben", so Schäuble.

DIW-Chef: "Deutschland schadet sich selber mit der Kritik"

"Ein offener Konflikt mit der EZB verunsichert die Bürger und beschädigt die Reputation der Institution, die sich als einzige in den letzten Jahren durchgängig als handlungsfähig erwiesen hat", warnte Schneider. Auch er sei nicht mit allem einverstanden. "Dennoch ist die Unabhängigkeit der Geldpolitik ein hohes Gut, das gerade in Deutschland einen großen Stellenwert hatte. Dies zu verteidigen ist gerade auch die Aufgabe des Finanzministers." Die EZB könne ihre Ziele nicht erreichen, weil es ihr an politischer Unterstützung der Euro-Staaten fehle. Schäubles Sprecher wies die Kritik zurück: Es gehe um eine "legitime Diskussion". Damit werde nicht die Unabhängigkeit der EZB infrage gestellt. Schäuble und Draghi würden sich in dieser Woche auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds austauschen.

"Deutschland schadet sich selber mit der Kritik an der EZB, denn ein Verlust der Glaubwürdigkeit bedeutet, dass die EZB ihre Aufgabe schlechter erfüllen kann", sagte Fratzscher. Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sagte, die Politik lasse die EZB im Kampf gegen die Deflation allein. Die EZB verabreiche der Wirtschaft kein "Doping", wie manche in der Union glaubten, sondern ein "Anti-Depressivum". Das wirke zu wenig, weltweit investierten die Firmen nicht. "Schäuble könnte die Investitionen durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten insbesondere bei Forschung und Energieeffizienz ankurbeln."

(mar)
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