Wettbewerb zwischen Krankenkassen Betrugsvorwürfe der TK und AOK entfachen Streit um Finanzen

Berlin · Kurz vor der Entscheidung über die Höhe der Krankenkassenbeiträge im kommenden Jahr streiten Krankenkassen und Politik über die milliardenschweren Geldströme für die Gesundheit. Die TK und die AOK hatten sich zuvor gegenseitig Betrug und Manipulation vorgeworfen.

 Jens Baas, Vorsitzender der Techniker Krankenkasse (Archivbild).

Jens Baas, Vorsitzender der Techniker Krankenkasse (Archivbild).

Foto: dpa, dan hpl lof

Die AOK attackierte den Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, wegen dessen Manipulationsvorwürfen gegen die gesetzlichen Kassen heftig. Baas wolle nur eine Änderung der Finanzregeln für die Kassen, so dass die TK künftig einen günstigeren Zusatzbeitragssatz im Krankenkassen-Wettbewerb anbieten kann, sagte AOK-Chef Martin Litsch am Montag in Berlin.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz stellte nach eigenen Angaben Strafanzeige gegen die TK und weitere Krankenkassen bei Staatsanwalt Hamburg. Möglich sei eine Strafbarkeit wegen schweren Betrugs, sagte Vorstand Eugen Brysch.

Baas hatte gesagt: "Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren." Dann gebe es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich.

Baas machte deutlich, dass regionale Kassen diese Schummelei besonders intensiv betrieben. "Sie bekommen 2016 voraussichtlich eine Milliarde Euro mehr (über den Risikostrukturausgleich) als sie für die Versorgung ihrer Versicherten benötigen." Baas meint dabei wohl vor allem die Kassen der AOK.

AOK-Chef Litsch warf der TK im Gegenzug vor, auf gesunde Patienten zu setzen, um Geld zu sparen. Diese "Risikoselektion zulasten von chronisch Kranken" lohne sich aber nicht mehr. Das passe Baas offenbar nicht.

Hintergrund ist, dass die finanziellen Milliardenströme für die Krankenkassen sich auch danach richten, ob eine Kasse viele chronisch Kranke hat. Dann bekommt diese Kasse mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds. Das ist der Ausgleich für die Risikostruktur.

In dieser Woche kommt der Schätzkreis für die gesetzlichen Kassen zusammen. Am Donnerstag soll dann feststellen, wie hoch der Zusatzbeitrag für die Kassen im Schnitt im kommenden Jahr liegen muss, damit die Versicherungen ihre Leistungen zahlen können. Abweichungen vom Durchschnitt nach oben oder unten können eine Kasse im Wettbewerb bedrohen oder nach vorne bringen. Der Risikostrukturausgleich spielt dabei aber eine wichtige Rolle.

Die SPD verteidigte den Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen als unverzichtbar. "Er wird seit jeher vor allem von denjenigen kritisiert, die sich als Einzahler sehen", sagte die SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis. Er müsse aber weiterentwickelt werden. Honorar für die Ausstellung falscher Diagnosen dürfe nicht fließen.

Die Transparenzorganisation Transparency International Deutschland forderte Justiz und Politik auf, Missbrauch öffentlicher Ressourcen durch falsche Diagnosen und höhere Ausgleichzahlungen zu unterbinden.

Die kommunalen Krankenhäuser warfen den Krankenkassen systematischen Abrechnungsbetrug vor und verlangten umgehende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Offensichtlich nutzten die Kassen jährlich Beitragsmittel von mehreren hundert Millionen Euro, "um sich ungerechtfertigte Zahlungen zu sichern", sagte die Vizechefin des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser, Susann Breßlein.

(isw/dpa)
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