Interview über Reichtum "Die Kö ist ein Geschenk für Narzissten und Selbstdarsteller"

Düsseldorf · Macht Geld wirklich nicht glücklich? Wir haben darüber mit Thomas Druyen, Experte für Vermögenskultur und Vermögenspsychologie, gesprochen.

 Thomas Druyen, Direktor des Institutes für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie an der Sigmund-Freud-Universität in Wien.

Thomas Druyen, Direktor des Institutes für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie an der Sigmund-Freud-Universität in Wien.

Foto: Klaus Haag

Wann ist man Ihrer Meinung nach reich, Herr Druyen?

Es gibt keine Richtlinien, in unserer Vermögensforschung haben wir aber die Grenze auf drei Millionen Euro gesetzt. Ein Gedanke war, dass Reichtum als Begriff nur sinnvoll ist, wenn man von der Rendite bereits überdurchschnittlich gut leben kann. Die Definition des Reichtums ist kompliziert, da sie auch mit sozialen, religiösen und kulturellen Faktoren zusammenhängt. Für die Bauern in der Subsahara ist man mit einer Million Dollar fürstengleich, in Zürich fast bemitleidenswert. Die Schwäche medialer Berichterstattung ist, dass alles über einen Kamm geschoren wird.

Welche Fehleinschätzungen sind es denn, denen wir unterliegen?

Die wohl größte Fehleinschätzung ist die Vermutung, dass die Superreichen auch das dazugehörige Superleben führen. Das ist nicht so, wenn wir es in Bezug auf Glück, Gesundheit, Zufriedenheit und liebevolle Freundschaften beziehen. Diese Werte sind für alle offen, möglich und umsetzbar. Glück kann man nicht kaufen.

Welcher Zusammenhang besteht denn zwischen Reichtum und Glück?

Reichtum bedeutet nicht Glück, auch wenn es sicherlich Beispiele dafür gibt. Die Glücksfähigkeit ist eine charakterliche und psychologisch bedingte Voraussetzung. Wer mit Geld glücklich sein kann, kann es wahrscheinlich auch ohne große Reichtümer. Dazu gehören Demut, Empathie und Selbstdisziplin.

Was machen jene, die diese Voraussetzungen nicht haben?

Bei vielen Reichen habe ich eine fortschreitende Frustration erlebt, und je größer der Besitz wurde, desto schwieriger auch die Souveränität. Man kann es vielleicht so fassen: Wer viel Geld für seine Arbeit, seine Interessen und seine Werte nutzen kann, gewinnt Zufriedenheit, Ansporn und Energie. Meistens entstehen daraus Erfolg und Energie. Wer das Geld nur um des Geldes willen jagt, ist nie zufrieden und sein Charakter bleibt oftmals auf der Strecke. Die Gruppe der Reichen ist aber alles andere als homogen.

Wenn Geld nicht glücklich macht, was bedeutet es den Reichen dann?

Natürlich bedeutet wirklicher Reichtum Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Gestaltungsfreiheit, das ist grandios. Aber die Umsetzung und Verwirklichung sind nicht allein vom Geld abhängig, sondern vom Charakter, vom Willen, von der Disziplin und so weiter. Da sind wir bei der zweiten großen Fehleinschätzung: Mit Geld geht alles wie von selbst. Das stimmt definitiv nicht. Die dritte Fehleinschätzung kommt von einigen sehr Reichen selbst, die glauben, nach außen so tun zu müssen, als seien sie gar nicht reich. Im Gegensatz zu Amerika wollen die meisten Menschen in Deutschland nicht als reich gelten, weil das gewisse Risiken birgt.

Sie meinen die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die Reichtum mit sich bringt?

Die meisten nehmen ihre Verantwortung wahr. Nein, es geht zum Beispiel darum, dass die Kinder gemobbt werden oder man sich verfolgt fühlt. Viele bemühen sich, gerade, wenn sie in ländlichen Regionen wohnen, nicht besonders aufzufallen. In unserem Raum herrscht eine Stigmatisierung der Reichen. Viele Bürger interessieren sich nicht für sie, aber für die Medien und die Politik sind sie ein wunderbares Streitthema — je nach Bedarf kann man ihnen auch die Schuld an bestimmten gesellschaftlichen Zuständen gegeben.

Ist die Königsallee eine Bühne für den Reichtum?

Dass die Kö ein Geschenk für Narzissten und Selbstdarsteller ist — gar keine Frage. Natürlich gibt es dort auch Reiche, die ihren Reichtum zur Schau stellen, aber das ist nicht repräsentativ. Die meisten Vermögenden interessieren sich nicht dafür, ob jemand einen Lamborghini oder einen Ferrari fährt. Die Mietpreise an der Kö, die Architektur, die ansässigen Firmen, das sind die wahren Zeichen von Reichtum. Den Leuten, die diese Bühne betreten, sieht man ohnehin nur vor den Kopf. Oder auf den Pelzmantel, wenn der nicht sogar ein Fake ist. Und natürlich gibt es auch Superreiche, die nie auf die Kö gehen. Gleichzeitig ist sie ein Wunder: Sie ist die kürzeste Reichen-Meile der Welt, da ist alles sehr kompakt. Die Kö ist wie ein Anführungszeichen für Reichtum.

Hat sich im Laufe der Zeit etwas an der Wahrnehmung von Reichtum geändert?

Grundsätzlich ist die Wahrnehmung des Reichtums durch eine ganz große Präsenz in den Medien, durch Luxusimmobilien und im Umfeld der Filmindustrie extrem stark gestiegen. Der größte Treiber bei der steigenden Zahl von Reichen in aller Welt ist aber die IT-Branche, Silicon Valley und viele gelingende Startups, wie es sie auch am Düsseldorfer Medienhafen gibt. Bei der Wahrnehmung des Reichtums kann man beobachten, wie schnell sich unsere Welt verwandelt. Auch Trump ist ein warnendes Vorzeichen: Er wird von den etablierten Reichen in den USA nicht akzeptiert, deswegen hasst er sie wie die Pest. Darin liegt auch der Antrieb seiner Kandidatur verborgen.

Wie nehmen denn Reiche den Reichtum wahr?

Das können wir von außen nicht beurteilen, wir können es nicht mit normalen Maßstäben messen. Der mit zehn Millionen findet den mit 100 Millionen wirklich reich, und der wiederum ist für den mit 500 Millionen fast arm, verstehen Sie? Wenn ein Millionär auf ein Milliardärstreffen geht, dann ist der wie ein Hartz-IV-Empfänger, er kann sich im Vergleich zu diesen Leuten gar nichts leisten. Die Differenz zwischen einer Million und einer Milliarde Euro ist da weitaus vielfältiger als die zwischen 10.000 und einer Million. Wir tun immer so, als ob alle Leute total unterschiedlich sind — bis zum Millionär, da sollen dann plötzlich alle ähnlich werden. Das ist nicht so, ganz im Gegenteil!

Kann denn das Streben nach Reichtum glücklich machen, oder macht es eher unglücklich?

Der Neid ist ein wichtiger Faktor. Entgegen der allgemeinen Einschätzung herrscht er nur innerhalb von Milieus, oder in das nächsthöhere. Unsere Befragungen haben gezeigt, dass die meisten Durchschnittsverdiener gar nicht so reich werden wollen wie Bill Gates. Das ist ein reiner Mythos, es gehört nicht zu ihren Lebenserfordernissen. Die Voraussetzung für Glück hat nichts mit Geld zu tun, sondern dem eigenen Charakter und dem Streben nach Sicherheit und Zufriedenheit.

Sollte man lieber verzichten?

Verzicht ist die höchste Kunst, vermögend zu sein. Damit meine ich nicht, wenn man kein Geld, keinen Beruf hat oder Flüchtling ist, dann ist Verzicht grauenerregend. Wer aber frei ist von seiner eigenen Gier, der ist für mich unfassbar reich. Wer die Verzichtsfähigkeit als Reicher verliert, der verschließt sich auch das Tor zum Glück.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort