Finanzkrise Städten droht der Schuldenkollaps

Düsseldorf (RP). Die Finanzkrise hat die Kommunen erreicht. Nach den Banken räumen jetzt auch die Kämmerer unterschätzte Risiken in ungeahntem Ausmaß ein.

 Die Lehman-Pleite kostet drei deutschen Landesbanken insgesamt 1,4 Milliarden Euro.

Die Lehman-Pleite kostet drei deutschen Landesbanken insgesamt 1,4 Milliarden Euro.

Foto: Getty Images North America, AFP

Das 500 Milliarden Euro schwere Rettungspaket der Bundesregierung für die deutschen Banken war wohl nur der Anfang. Das nächste Opfer der weltweiten Finanzkrise zeichnet sich ab: die deutschen Städte und Gemeinden. "Da ist eine Lawine unterwegs”, sagt Helmut Dedy vom Deutschen Städte- und Gemeindebund.

Der Leiter der Kommunalabteilung beim NRW-Innenministerium, Johannes Winkel, räumt einen "noch gar nicht abschätzbaren Gesamtschaden” ein. Beängstigende Parallele: Zu Beginn der Finanzkrise wollte auch erst niemand sagen, wie groß und wie tief das Loch sein würde. Aber die Dimensionen der anrollenden Kommunalkrise sind trotzdem schon zu ahnen.

Gewerbesteuern
Etwa die Hälfte ihrer Einnahmen fließt den Kommunen aus Steuern der örtlichen Wirtschaft zu. "Die Gewerbesteuer wird stark einbrechen”, sagt Dedy, "man sieht ja jetzt schon, wie die Finanzkrise die Autoindustrie, Zulieferer und Händler in die Knie zwingt.” Das Ausmaß des Steuerlochs wird die Steuerschätzung erst in der ersten Novemberwoche aufzeigen. Der Innenminister hat die Kommunen aber schon mal darauf hingewiesen, dass ihre bisherigen Annahmen wegen der Finanzkrise vermutlich Makulatur sind.


Lehmann-Zertifikate
Der Städtebund weiß von etlichen Kommunen, die Geld in Zertifikate der US-Investmentbank Lehman gesteckt haben. Mit der Pleite der Bank sind diese Papiere wertlos geworden. Er befürchtet, dass einzelne Kommunen so zweistellige Millionenbeträge verbrannt haben. Das Problem des Städtebundes: Es gibt kaum Daten. Die Kommunen mauern. "Wir haben in der vergangenen Woche eine bundesweite Umfrage zu den Kommunalfinanzen gestartet”, berichtet Dedy, "der Rücklauf ist deutlich schwächer als sonst.” Sein Verdacht: "Wenn etwas schief läuft, rückt man nicht so gerne damit ‘raus.”


Zinswetten
Das größte Desaster droht den schätzungsweise 700 deutschen Städten und Kommunen, die der Deutschen Bank, der WestLB und anderen die berüchtigten "Zinswetten” abgekauft haben. Wie berichtet, haben auch in NRW 40 bis 60 Städte und Kommunen schon jetzt einen dreistelligen Millionen-Betrag an Steuergeldern vernichtet, weil sie auf einen falschen Zinsverlauf gewettet haben. "Die Finanzkrise hat die unvorhersehbare Zinsentwicklung jetzt völlig ins Absurde verdreht”, berichtet Jochen Weck von der Münchner Kanzlei Rössner, die derzeit über 50 Mandanten bei Schadensersatz-Forderungen gegen die Deutsche Bank und andere Anbieter vertritt.

Das bedeutet: "Damit hat die Finanzkrise die bisher schon enormen Wettverluste vervielfacht.” Keiner weiß, welche Kommune in NRW wie viel verzockt hat. Nicht einmal der NRW-Innenminister, obwohl er die Finanzen der Kommunen überwachen muss. Abteilungsleiter Winkel: "Wir sprechen über eine unbekannte Anzahl betroffener Kommunen mit einem Finanzrisiko in unbekanntem Ausmaß.” Rechtsanwalt Weck: "Der schlimmstmögliche Fall ist eingetreten.”

(RP)
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