Christoph Schmallenbach "Staat muss Riester-Sparer stärker fördern"

Düsseldorf · Der Chef der AachenMünchener warnt im Interview mit unserer Redaktion davor, die Riester-Versicherungen schlecht zu reden. Sie müsse aber einfacher werden.

 Hat die Riester-Rente zurecht einen so schlechten Ruf?

Hat die Riester-Rente zurecht einen so schlechten Ruf?

Foto: C. Schnettler

Im zweiten Quartal sank die Zahl der Riester-Verträge in Deutschland erstmals. Der Anfang vom Ende?

Christoph Schmallenbach Auf keinen Fall. Erstens kann ich den Trend nicht bestätigen, weil wir bei 1,25 Millionen Verträgen Ende des vergangenen Jahres weiter zugelegt haben, zweitens ist Riester ein gutes Produkt. Mit klar definierter staatlicher Förderung für den Sparer und seine Kinder sowie Steuervorteilen für Gutverdiener. Es gibt 16 Millionen Riester-Sparer in Deutschland; das ist eine klare Erfolgsgeschichte. Das Produkt wird nur manchmal schlecht geredet. Ich würde mir eine sachlichere Debatte wünschen. Denn es führt ja kein Weg daran vorbei: Die Deutschen müssen privat stärker vorsorgen, weil sich der Staat immer weiter zurückzieht.

Wie kann man Riester vereinfachen?

Schmallenbach Zum Beispiel den Zulagenantrag vereinfachen. Der muss auf zwei Seiten passen und einfacher strukturiert sein, damit die Menschen ihn verstehen.

Einige haben zu wenig für Vorsorge.

Schmallenbach Ich weiß natürlich, dass es solche Bevölkerungsgruppen gibt.

Muss der Staat diese stärker fördern?

Schmallenbach Ja, man muss sich vielleicht auch die Fördergrenzen bei der Riester-Rente anschauen. Aber es kann nicht nur darum gehen, die private Vorsorge stärker zu fördern. Das Geld ist sinnvoller eingesetzt, wenn man versucht, Menschen in Beschäftigung zu bringen. Genauso wichtig ist Aufklärung. Manchen ist es immer noch nicht bewusst, dass sie rechtzeitig mit dem Sparen anfangen müssen. Viele wissen gar nicht, wie hoch ihr finanzieller Bedarf im Alter ist.

Manche schreckt die Minirendite.

Schmallenbach Das ist der Kardinalfehler, den viele machen. Für das Alter vorsorgen bedeutet: etwas beiseitezulegen. Es geht zunächst einmal darum, zu sparen, und nicht ausschließlich darum, möglichst rentabel zu sparen. Dass dieses Missverständnis entstanden ist, daran sind wir als Branche vielleicht auch mit Schuld. So gesehen, sind wir wohl auch ein Opfer der eigenen Marketing-Aktivitäten geworden.

Ist die klassische Lebensversicherung bei einem Garantiezins von 0,9 Prozent ab dem kommenden Jahr tot?

Schmallenbach So lange wir sie dem Kunden guten Gewissens anbieten können, tun wir das auch. Aber wir verkaufen schon seit langer Zeit viel stärker fondsgebundene Versicherungen, die man ja auch mit Garantiefonds bestücken kann. Beliebt sind vor allem Hybrid-Produkte, die beispielsweise klassische mit Fondselementen verbinden.

Wie viel klassische Versicherungen verkaufen Sie noch?

Schmallenbach Im Neugeschäft ist das noch rund ein Fünftel.

Bei welchem Garantiezins bekommen Sie ein schlechtes Gewissen?

Schmallenbach Im Moment sehe ich aus AachenMünchener Sicht keinen Grund, keine klassischen Versicherungen mehr zu verkaufen. Ob eine spezielle Garantierate sinnvoll ist, hängt vom Kapitalmarkt ab. Selbst eine Garantie von 0,5 Prozent ist wertvoll, wenn risikolose Anlagen wie zehnjährige Bundesanleihen negative Renditen bieten.

Zurück zur Lebensversicherung: Bei Altverträgen, die zwischen 1993 und 2007 geschlossen wurden, sind Kunden teilweise über ihr Widerrufsrecht falsch belehrt worden. Der Stand?

Schmallenbach Wir haben bis heute knapp 1500 Anträge vorliegen. Aber es kommen auch noch neue Anträge, weil das Widerrufsrecht nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) lebenslang gilt. (Das BVG hat die Verfassungsbeschwerde der AachenMünchener gegen zwei Urteile des Bundesgerichtshofs zum "ewigen Widerrufsrecht" bei Lebensversicherungen nicht zur Entscheidung angenommen, d. Red.)

Hat das dem Ruf der Versicherungsbranche zusätzlich belastet?

Schmallenbach Nein, die Verträge wurden ja nach damals gültigem Recht geschlossen. Dass die Rechtsprechung im Nachhinein die Rahmenbedingung verändert hat, akzeptieren wir. Im Übrigen: Das Bild des Kunden von Versicherungsberatung hängt davon ab, welchen Wert Sie nehmen. Fragen Sie die Menschen, was sie von den Beratern generell halten, bekommen Sie vielfach negative Antworten. Mit ihrem eigenen Betreuer sind die Versicherten aber meist sehr zufrieden.

Georg Winters führte das Gespräch.

(RP)
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