Strategien für den Ruhestand Rente mit 35 — wie es gehen könnte

Düsseldorf · Viele Bürger träumen vom ganz frühen Ruhestand – bei sehr bescheidenem Lebensstandard und Hoffnung auf hohe Renditen ist das nicht ausgeschlossen. Als Strategie raten Experten zu Ausgabenkontrolle und eigener Immobilie.

 Entspannt im Liegestuhl am Strand? (Symbolbild)

Entspannt im Liegestuhl am Strand? (Symbolbild)

Foto: dpa, bsc his

Viele Bürger träumen vom ganz frühen Ruhestand — bei sehr bescheidenem Lebensstandard und Hoffnung auf hohe Renditen ist das nicht ausgeschlossen. Als Strategie raten Experten zu Ausgabenkontrolle und eigener Immobilie.

Wann habe ich genügend Vermögen fürs jetzige Leben und spätere Alter? Dem griechischen Philosophen Diogenes reichte eine Tonne als Wohnort, um zufrieden zu sein. Ex-VW-Chef Martin Winterkorn macht trotz der Abgasaffäre bisher keine Anstalten, auf seine Betriebsrente von umgerechnet 3100 Euro pro Tag zu verzichten - er muss ja auch seine Villa in München finanzieren. Auch Philipp Lahm kann seine Zukunft nach dem Rücktritt bei Bayern München locker sehen: Nach rund 15 Jahren als Profifußballer wird sein Vermögen auf mehr als 20 Millionen Euro geschätzt - dies würde dem 33-jährigen Ex-Kapitän der Deutschen Fußballmannschaft bei einer Rendite von zwei Prozent ab jetzt bis zum 80. Lebensjahr eine Zahlung von 36.460 Euro im Monat bringen. Und zwar nach Kapitalertragssteuer.

Der Durchschnittsverdiener kann von solchen Modellen nur träumen. Dabei bewegt auch viele Bürger die Frage, wie sie vorzeitig in Rente gehen könnten. Das zeigen die Zahlen: Mehr als 500.000 Arbeitnehmer haben bislang das Recht in Anspruch genommen, vorzeitig ohne Abschläge schon mit 63 Jahren in Rente gehen zu können. Immerhin 16 Millionen Riester-Verträge wurden abgeschlossen, das hilft, die gesetzlichen Renten etwas aufzustocken - denn gerade jüngere Menschen müssen zusätzlich sparen, um ihre Rente aufzubessern. "Viele Leute gerade aus der Mittelschicht wollen aus dem Hamsterrad", sagt der Vermögensberater Lothar Koch von der Beratungsfirma GSAM in Düsseldorf, "die überlegen schon, wie viel Geld sie für einen vorzeitigen Ruhestand brauchen."

 Quelle: Eigene Rechnungen mit Hilfe des FMH-Rentenplaners. Jeweils bis 80. Lebensjahr, jeweils mit zweiprozentigem Inflationsaufschlag pro Jahr auf Monatsrate, Abgeltungssteuer ist bereits abgezogen. Grafik: Zörner

Quelle: Eigene Rechnungen mit Hilfe des FMH-Rentenplaners. Jeweils bis 80. Lebensjahr, jeweils mit zweiprozentigem Inflationsaufschlag pro Jahr auf Monatsrate, Abgeltungssteuer ist bereits abgezogen. Grafik: Zörner

Foto: Zörner

Abhängig vom Kapital

 Quelle: Eigene Rechnungen mit Hilfe des FMH-Rentenplaners. Jeweils bis 80. Lebensjahr, jeweils mit zweiprozentigem Inflationsaufschlag pro Jahr auf Monatsrate, Abgeltungssteuer ist bereits abgezogen. Grafik: Zörner

Quelle: Eigene Rechnungen mit Hilfe des FMH-Rentenplaners. Jeweils bis 80. Lebensjahr, jeweils mit zweiprozentigem Inflationsaufschlag pro Jahr auf Monatsrate, Abgeltungssteuer ist bereits abgezogen. Grafik: Zörner

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Doch wie lässt sich mit Ersparnissen, Abfindungen und/oder dem Geld aus Erbschaften der vorzeitige Ruhestand finanzieren? Wir haben einige Szenarien durchgerechnet (siehe Grafik), mit wie viel Kapital sich der Ruhestand mit 35, 45, 55 oder 60 Jahren finanzieren lässt. Logisches Ergebnis: Je eher das Geld fließen soll, umso mehr Kapital ist notwendig. Die Rente mit 35 Jahren ist damit wohl für mehr als 95 Prozent der Bürger undenkbar. Es muss nämlich bereits für eine Netto-Monatsrente von nur 1000 Euro ein Startgeld von mindestens 336.000 Euro kalkuliert werden.

Doch weil 1000 Euro im Monat gemessen an den Lebenshaltungskosten sehr bescheiden sind, sind in Wahrheit eher 2000 Euro im Monat als Ziel anzusetzen. "Mit 1000 Euro liegt man noch unter dem pfändungssicheren Existenzminimum von 1133 Euro und nur knapp oberhalb des Bafög-Satzes für Studenten von 735 Euro", sagt dazu Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der NRW-Verbraucherzentrale: "Wenn jemand schon frühzeitig aufhören will oder muss, kommt mir ein monatliches Einkommen von 2000 Euro netto doch deutlich erstrebenswerter vor als 1000 Euro."

Er erinnert aber auch daran, dass Hartz IV-Empfänger als Single von 404 Euro plus Wohngeld leben müssen und dass die Grundsicherung in Deutschland für arme Rentner nur bei 409 Euro plus Wohnkosten liegt. "Gemessen daran ist natürlich jedes halbwegs hohe Einkommen aus Vermögen ein Traum. Und wer bescheiden lebt und eine eigene Immobilie hat, könnte vielleicht auch mit 1000 Euro hinkommen."

Was ist die beste Strategie für den vorzeitigen Ruhestand? Erstens müssen Bürger prüfen, wie viel Geld sie brauchen und wo sie sparen können. "Die Leute sollten ein Haushaltsbuch führen und dann entscheiden, was sie brauchen",sagt Sylvia Groh, Beraterin der Verbraucherzentrale NRW. "Da ist bei Wohlhabenden oft viel Luft drin." Das Portal Finanztip hat ausgerechnet, dass viele Haushalte mehr als 100 Euro sparen können, wenn sie von teuren Verträgen bei Handys, Strom und Versicherung zu günstigeren Angeboten wechseln.

Zweitens müssen die Bürger eine Bestandsaufnahme ihrer Finanzen machen: Ansprüche auf die staatliche Rente und mögliche Betriebsrenten müssen kalkuliert werden, ebenso die Chance auf Erbschaften. Berater Koch: "Ein Gutverdiener erhöht seinen monatlichen Anspruch auf gesetzliche Rente jedes Berufsjahr um rund 60 Euro. Da lässt sich ja kalkulieren, welche Einbuße hingenommen werden kann, wenn ich dauerhaft viel spare."

Entscheidend ist natürlich auch eine kluge Strategie bei der Vermögensanlage. Gerade für die Region Düsseldorf raten Experten dabei zum Kauf einer Immobilie, um gegen weiter steigende Mieten gesichert zu sein. Das hat auch einen Steuervorteil, sagt Frank Plankermann, Vorsitzender des Steuerberaterverbandes Düsseldorf: "Erträge aus Aktien oder Anleihen müssen ja oberhalb des Freibetrages versteuert werden. Doch mietfreies Wohnen senkt die Lebenshaltungskosten auf Dauer, ohne dass der Vorteil versteuert werden muss."

Ansonsten zählt bei der Geldanlage eine möglichst hohe Rendite. Wegen der aktuellen Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank liegt der Zinssatz für Festgeld und für Anleihen bei Null oder lediglich etwas darüber - katastrophal für Sparer.

Der entscheidende Weg, um höhere Renditen zu erzielen, ist große Teile des Kapitals in Aktien zu stecken. Dabei raten der bundesweit bekannte Vermögensberater und Autor Volker Looman sowie das Portal Finanztip dazu, Anlagen breit zu streuen und dabei bevorzugt auf Indexfonds mit ihren niedrigen Gebühren zu setzen.

So weist Finanztip daraufhin, dass es in den letzten 44 Jahren im Schnitt eine Rendite von 6,7 Prozent brachte, wenn man Indexfonds auf den MSCI World hielt. In diesem Index wird die Wertentwicklung der 1600 wichtigsten Unternehmen der Welt zusammengefasst. Matthias Urbach, stellvertretender Chef von Finanztip sagt: "Wer einen langen Atem hat, kommt für eine hohe Rendite an breit gestreuten Indexfonds nicht vorbei."

(kowa)
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