"Panama Papers" Ein schmutziges System

Meinung | Düsseldorf · Die "Panama Papers" richten den Blick erneut auf die undurchsichtige Welt der Offshore-Konten. Fest steht: Nicht jeder, der in den Akten erwähnt wird, hat etwas Verbotenes getan. Doch für zahlreiche Personen dürften die kommenden Wochen und Monate recht unangenehm werden. Eine Analyse.

 Cellist Sergej Roldugin (links) ist ein enger Freund von Wladimir Putin. Beide Namen tauchen in den Papieren auf.

Cellist Sergej Roldugin (links) ist ein enger Freund von Wladimir Putin. Beide Namen tauchen in den Papieren auf.

Foto: dpa, of ase

Wladimir Putin verdient als russischer Präsident umgerechnet 143.000 Euro im Jahr. Das ist knapp die Hälfte der Bezüge, die Angela Merkel als deutsche Bundeskanzlerin erhält. Auch als Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB dürfte sein Salär überschaubar gewesen sein. Es erklärt jedenfalls nicht die Schätzungen diverser Putin-Kenner, die davon überzeugt sind, dass dieser Mann den Kreml dereinst mit 40, 70, vielleicht mit 200 Milliarden Dollar verlassen wird. Einleuchtender erscheint da das Urteil, das der US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman über Russland, Putin und dessen Freunde gefällt hat. Das Land sei eine Kleptokratie, in der der Präsident und seine Kumpane gigantische Summen abschöpfen könnten. Indes: Nachgewiesen hat Putin und seiner Clique eine unermessliche Bereicherung bislang noch niemand.

Offenbar Teil einer gigantischen Industrie

Jetzt aber erhält zumindest der Verdacht, das dem so sein könnte, reichlich Nahrung: Die Namen einiger der engsten Putin-Vertrauten sind aus einem Datenleck in Panama gesprudelt, zusammen mit Tausenden anderen: Politiker, Funktionäre, Stars, Millionäre, Milliardäre aus aller Welt finden sich in den Dateien einer panamaischen Kanzlei, die offenbar Teil einer gigantischen Industrie ist, deren einzige Aufgabe darin besteht, riesige Vermögen jeglicher unerwünschter Kontrolle zu entziehen - durch Briefkastenfirmen, Banken, Anwaltskanzleien.

Das allein ist nicht illegal. Und natürlich muss nicht jeder Dollar, dessen Herkunft über ein solches weltumspannendes System verschleiert wird, aus dunklen Geschäften kommen, aus Drogenhandel, Menschenhandel oder aus dem illegalen Waffenhandel. Könnte man die Spur des Geldes zurückverfolgen, würde man auch nicht immer gleich auf Betrügerei im großen Stil stoßen, auf Steuerhinterziehung, abgezweigte Staatsgelder oder auf geheime Korruptionskassen. Auf Geldwäsche oder auf Terrorfinanzierung. Aber weil man diese Spuren eben nicht zurückverfolgen kann, und weil die Liste derer, die sich aus den genannten Gründen nicht gerne in die Karten schauen lassen wollen, so lang ist, liegt die Vermutung nahe, dass Briefkastenfirmen nicht gerade erste Adressen sind. Sehr nahe sogar.

11,5 Millionen Akten

Die Menge der aus der panamaischen Kanzlei geschmuggelten Daten — 11,5 Millionen Akten - und die Zahl der darin gefundenen Briefkasten-Firmen — mehr als 200.00 — zeigen, wie groß der Markt fürs Tarnen und Tricksen ist, und wie sehr Steueroasen wie Panama davon profitieren. Ein Grund dafür liegt in der härter gewordenen Jagd auf Steuersünder. Im Oktober 2014 hatten sich in Berlin viele Staaten darauf verständigt, automatisch Kontodaten auszutauschen, um Steuerflüchtige zu erwischen. Das war ein Durchbruch, weil damit in den beteiligten Ländern das Bankgeheimnis praktisch beendet wurde. Inzwischen haben das Abkommen 80 Länder unterzeichnet, 16 weitere wollen es bald tun. Zudem haben die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) schärfere Maßnahmen gegen Steuervermeidung großer Konzerne angekündigt.

Schäuble will Vorschläge machen

Das "Unterholz" bei Versuchen, die Steuerbehörden auszutricksen, müsse noch besser ausgeleuchtet werden, meint Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble CDU). Bis April will er - unabhängig vom Panama-Fall - eigene, neue Vorschläge präsentieren. Das wird nicht reichen. Die Panama-Papiere bieten eine bislang einzigartige Möglichkeit, die Beteiligung von Banken und Vermögensverwaltungen an der Verschleierung der Herkunft von riesigen Summen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Es geht um weit mehr als um die Austrocknung von Steueroasen. Es geht um die Finanzierung von Terror, um die Umgehung von Sanktionen, um die Benachteiligung ganzer Völker. Ein Spiel, das mit vielen schmutzigen Tricks gespielt wird, und bei dem es viele Gewinner gibt, aber viel, viel mehr Verlierer.

Misstrauensvotum in Island?

Durch die Enthüllungen gerät nun nicht nur nicht nur der ukrainische Präsident Petro Poroschenko politisch unter Druck, der via Panama eine Briefkastenfirma gegründet und so in der Ukraine umgerechnet Millionen von Euro an Steuern gespart haben soll. Islands Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson muss sich gar einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) hat die Überprüfung zweier Banken in Auftrag gegeben. Frankreichs Präsident François Hollande stellt juristische Konsequenzen in Aussicht. Die israelische Steuerbehörde ermittelt.

Nur der Kreml wertet die Veröffentlichung der "Panama Papers" als Versuch, den russischen Präsidenten zu diskreditieren. "Das ist eine von vielen Giftinjektionen in der Hoffnung, dass die Dosis irgendwann anschlägt", findet Irina Jarowaja, die Vorsitzende des Sicherheitsausschusses. Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ist entrüstet: Dabei komme Wladimir Putin in dem Datenmaterial aus Panama doch gar nicht vor.

O wie schön ist Panama!

(bew)
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