Finanzpolitik Negativzinsen - Die vermeintliche Wunderwaffe der Notenbanken

Frankfurt/Main · Negative Leitzinsen in weiten Teilen Europas, in Japan und bald auch in den USA? Was vor wenigen Jahren undenkbar schien, ist mittlerweile Realität. Wie wirken die Strafzinsen und was soll erreicht werden - Fragen und Antworten zum Thema.

Negativzinsen - Die vermeintliche Wunderwaffe der Notenbanken
Foto: Shutterstock/ TijanaM

Normalerweise zahlen Banken dafür, wenn sie sich von ihrer Zentralbank Geld leihen, etwa um Kredite zu vergeben. Oder sie erhalten Zinszahlungen, wenn sie überschüssiges Geld bei ihrer Notenbank anlegen. Negativzinsen kehren diese Selbstverständlichkeiten ins Gegenteil: Nicht der Schuldner bezahlt den Gläubiger, sondern der Gläubiger den Schuldner.

Negativzinsen sind, so scheint es, die neue Wunderwaffe der Notenbanken. Weil Wachstum und Inflation trotz jahrelanger Geldschwemme nicht anziehen wollen, drückt eine Zentralbank nach der anderen ihre Zinsen ins Minus. Neben der Europäischen Zentralbank (EZB), die den bedeutenden Einlagensatz kürzlich auf minus 0,3 Prozent senkte, zählen dazu die Zentralbanken Dänemarks, Schwedens, der Schweiz und Japans. Was wollen die Währungshüter damit erreichen?

Negativzinsen sollen die eigene Währung schwächen und damit den Export ankurbeln

Als Ziel negativer Leitzinsen wird meist genannt, dass die Geldinstitute überschüssiges Zentralbankgeld als Kredite an die Wirtschaft weiterreichen sollen, anstatt es bei der Notenbank zu deponieren. Das ist aber nur ein Motiv. Unter Analysten gilt das Ziel der Währungsschwächung als mindestens genau so wichtig. Eine schwache Währung fördert den Export, weil Ausfuhrgüter für ausländische Abnehmer günstiger werden. Zudem verteuern sich Einfuhrgüter, was die schwache Inflation anschieben soll. Beides kann helfen, das Wachstum zu steigern und eine vermeintlich konjunkturschädigende Deflation zu verhindern.

Das Konzept klingt schlüssig, hat aber viele Fallstricke. So kann der Plan nur funktionieren, wenn ihn nicht alle verfolgen. Die Ratingagentur Standard & Poor's warnt bereits vor einem Wettrennen um die tiefsten Minuszinsen. Auf der Währungsseite besteht damit die Gefahr eines Abwertungswettlaufs, der nach aller Erfahrung keine Gewinner kennt. Zudem kann die Glaubwürdigkeit von Notenbanken Schaden nehmen, falls - wie in Japan geschehen - Zinssenkungen entgegen vorheriger Festlegung vorgenommen werden, nur um durch einen Überraschungseffekt eine möglichst starke Währungsabwertung zu erzielen.

Negativzinsen können kontraproduktiv wirken

Fraglich ist auch, ob Negativzinsen zwangsläufig die Kreditvergabe der Banken erhöhen. Dazu müsste eine hohe Kreditnachfrage auf ein zu schwaches Kreditangebot treffen. Ist dagegen die Nachfrage etwa aus konjunkturellen Gründen schwach und die Angebotsseite nicht für die geringe Kreditvergabe verantwortlich, können Negativzinsen kontraproduktiv wirken. In erster Linie droht das Bankgeschäft belastet zu werden, soweit sich die Geldhäuser nicht in die Bargeldhaltung flüchten wollen oder können. Die diskutierte Einschränkung des Bargeldverkehrs wird in Deutschland auch deswegen so heftig kritisiert, weil ein Bargeldverbot einen wichtigen Fluchtweg vor Negativzinsen verbauen würde.

Kommt eine Bargeldflucht nicht infrage oder ist sie etwa aus Lagerhaltungsgründen zu teuer, können die Geldhäuser die Kosten des Negativzinses an ihre Kunden weitergeben. Entweder, wie in der Schweiz geschehen, indem sie die Kreditzinsen erhöhen. Oder sie lassen einige ihrer Kunden, wie es etwa die Commerzbank zum Teil schon von ihren Geschäftskunden verlangt, für ihre Guthaben bezahlen.

Um solche unerwünschten Folgen von Negativzinsen zu vermeiden, wenden einige Notenbanken einen Trick an: Sie belegen nicht alle Bankeinlagen, sondern nur einen Teil mit Strafzinsen. Damit soll verhindert werden, dass Banken übermäßig belastet werden. Das ändert jedoch nichts daran, dass Anlagen in der jeweiligen Währung wegen des Negativzinses weniger lukrativ werden, was den Wechselkurs drückt.

Die US-Bank JP Morgan kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass die Leitzinsen wesentlich stärker in den negativen Bereich verringert werden können, wenn nur ein Teil der Bankeinlagen mit Strafzinsen belegt wird. In dieser Form werden negative Leitzinsen zurzeit von den Notenbanken Japans und der Schweiz angewandt. Marktkenner sagen, die EZB dürfte bald ähnlich vorgehen. Und sollte sich die Wirtschaft in den USA stark abschwächen, könnte auch die US-Notenbank Fed auf Negativzinsen zurückgreifen, meint die Bank of America. Fed-Chefin Janet Yellen schließt das zumindest nicht aus.

(felt/dpa)
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