Gastbeitrag von Verbraucherschützer Müller "Bargeld ist geprägte Freiheit"

Meinung | Düsseldorf · Verbraucherschützer Klaus Müller warnt in seinem Gastbeitrag vor den Risiken des Vorschlags von NRW-Finanzminister Walter-Borjans, Limits bei Barzahlungen einzuführen. Er nennt sechs Gründe für das Bargeld.

 Das sind die bevorzugten Bezahlmöglichkeiten der Deutschen.

Das sind die bevorzugten Bezahlmöglichkeiten der Deutschen.

Foto: Radowski

Ist ein schlechter Mensch, wer 3000 Euro in bar zahlt oder 1000 oder 100 Euro oder überhaupt Bargeld verwendet? Diese Frage werden sich viele gestellt haben, nachdem NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans vorgeschlagen hat, hohe Barzahlungen zu verbieten. Kann man den Vorschlag als Sommertheater abtun? Nein, das würde ihn unterschätzen. Er steht mit seiner Kritik am Bargeld auch nicht alleine.

In Dänemark hat die Zentralbank bereits angekündigt, nur noch bis Ende 2016 Banknoten zu drucken. Außerdem soll der Annahmezwang für Bargeld in kleinen Läden, in Restaurants und an Tankstellen abgeschafft werden. In Frankreich wird über eine Obergrenze für bares Bezahlen von 1000 Euro debattiert.

 Klaus Müller ist Vorsitzender beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV).

Klaus Müller ist Vorsitzender beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV).

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Auch die Motivlage des Ministers scheint ehrenwert: Wer will angesichts spektakulärer Fälle von Steuerhinterziehung und weit verbreiteten Schwarzgeldgeschäften zurückstehen, wenn der Ruf nach mehr Steuerehrlichkeit erschallt. Aber heiligt der Zweck die Mittel? Ein klares nein, wenn Risiken und Nebenwirkungen überwiegen.

Bisher wird in Deutschland die Bargeld-Debatte eher in akademischen und wirtschaftsaffinen Kreisen geführt. Und es gibt auch tatsächlich gute Gründe für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Er kann bequem sein, man ist sicher vor Dieben. Der Verkäufer erhält unmittelbar sein Geld, als Kunde wiederum hält man schnell die Ware in den Händen.

Der Wirtschaftsweise Professor Peter Bofinger fordert die völlige Abschaffung des Bargeldes als ultimative Waffe gegen Schwarzarbeit und Drogenhandel. Doch wenn die Debatte trotz Warnungen der Bundesbank oder von Verbraucherschützern jetzt die Politik erreicht, ist Vorsicht geboten. Finanzminister Walter-Borjans will seinen Vorstoß explizit nicht als Plädoyer für eine Abschaffung des Bargeldes verstanden wissen. Aber ist das nicht ein Widerspruch in sich — Limitierung der Bargeldmenge ja, Abschaffung nein?

Auch wenn im Einzelhandel der Anteil des Bargeldes rückläufig ist, bleibt seine Bedeutung unangefochten: 53 Prozent des Gesamtumsatzes wurde immerhin noch bar bezahlt, 79 Prozent aller Transaktionen mit Scheinen und Münzen getätigt. Deshalb hier sechs gute Gründe, am freizügigen Verkehr mit Bargeld festzuhalten:

Erstens: Bargeld ist günstig für die Verbraucher: Es wundert nicht, wenn Banken und Sparkassen sich über Attacken gegen das Bargeld freuen, da sie und Händler die Kosten tragen. Umgekehrt würde auch an Online-Zahlungsvorgängen immer jemand verdienen, seien es Banken, Kartenanbieter oder Technologiekonzerne.

Zweitens: Bargeld ist gelebter Datenschutz: Unbares Zahlen hinterlässt Datenspuren, die kommerziell genutzt und zur Erstellung eines Verbraucherprofils verwendet werden können. Daten können von Dritten illegal 'abgefischt' werden. Aber auch die legale Datennutzung durch Zahlungsdienstleister kann zu Lasten des Verbrauchers gehen.

Drittens: Bargeld schafft Transparenz in der Haushaltskasse: Viele Menschen operieren ohne Probleme mit Kreditkarten und "mobile payment". Es gibt aber auch Hinweise, dass dies bei manchen Verbrauchern zu Schwierigkeiten führt, ordentlich zu haushalten. Die scheinbar ständige Verfügbarkeit unbarer Zahlungsmittel kann verführen und den Einstieg in die Verschuldung befördern.

Viertens: Bargeld schützt vor negativen Zinsen: Schon heute diskutieren Ökonomen, wie man sparfreudige Verbraucher durch negative Zinsen zum Konsumieren "motivieren" könnte. Zentralbanken und Politik würden erheblichen Einfluss auf unser Alltagsleben und unsere Ersparnisse erhalten.

Fünftens: Auch Alternativen sind nicht sicher: Unbestreitbar erhöht Bargeld das Risiko klassischer Überfälle, aber auch unbare Zahlungsvorgänge locken Kriminelle an. Alternativwährungen bergen eigene nicht zu unterschätzende Risiken, die für Kriminelle wiederum womöglich hoch attraktiv sind.

Sechstens: Bargeld bedeutet Teilhabe: Lange hat der Kampf gedauert, bis die EU allen einen Anspruch auf einen Zugang zu einem Konto zugebilligt hat. Noch immer leiden Menschen unter Diskriminierung, denn ein Konto kostet. Wie lässt sich Obdachlosen ohne Bargeld helfen?

Die Aussage des Schriftstellers Dostojewski, dass Geld geprägte Freiheit bedeute, ist heute noch so richtig wie vor 150 Jahren. Daher irren die Bargeldkritiker und auch Minister Walter-Borjans, wenn sie glauben, ein Limit einführen zu können. Die Risiken, dass dies der Einstieg in den Ausstieg vom Bargeld ist, sind immens. Politik, Wirtschaft und Verbraucher sollten ihm seinen Vorstoß freundlich aber bestimmt ausreden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort