Finanzen Union attackiert Draghis Niedrigzinspolitik

Berlin · Auch in der deutschen Politik wächst die Kritik an der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Mehrere Unionspolitiker, vor allem aus der CSU, riefen dazu auf, die Währungshüter zu einem Kurzwechsel in der Geldpolitik zu bewegen.

Das ist Mario Draghi
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Foto: dpa, bjw

"Die EZB fährt einen hoch riskanten Kurs und nimmt enorme Risiken in Kauf", warnte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in der "Welt am Sonntag". "Der Wegfall der Zinsen produziert eine klaffende Lücke in der Altersvorsorge der Bürger." Gleichzeitig werde ein "fatales Signal" gesetzt: "Nämlich, dass Vorsorge und Sparen keinen Sinn haben."

Ähnlich äußerte sich Bayerns Finanzminister Markus Söder im "Spiegel": "Die Nullzinspolitik ist ein Angriff auf das Vermögen von Millionen Deutschen, die ihr Geld auf Sparkonten und in Lebensversicherungen angelegt haben", sagte der CSU-Politiker. "Die Bundesregierung muss einen Richtungswechsel in der Geldpolitik einfordern." Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus sagte dem Magazin:
"Wir müssen die EZB unter Rechtfertigungsdruck setzen, sonst ändert sich nichts."

Im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche hatte die EZB den Leitzins im Euroraum in ihrer März-Sitzung auf null Prozent gesenkt. Zugleich erhöhte die EZB den Strafzins, der fällig wird, wenn Banken Geld bei der Notenbank parken.

Das setzt die Finanzinstitute noch stärker unter Druck. Der Chef der Privatbank Berenberg und designierte Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Hans-Walter Peters, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", die Zinspolitik der EZB zerre an den Zinsmargen, der Haupteinnahmequelle vieler Institute.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, schreibt dagegen gemeinsam mit sechs weiteren Ökonomen in der "FAS", die deutschen Kritiker der EZB machten zwei große Fehler. "Erstens übersehen sie, dass trotz aller Nebenwirkungen der gegenwärtigen EZB-Geldpolitik die Konsequenzen eines Nichtstuns deutlich schlechter wären.
Zweitens bieten sie keine konstruktive Alternative an." Deutschland komme eine tragende Rolle dabei zu, konstruktive Antworten auf die europäische Krise zu formulieren.

Der "Spiegel" berichtet weiter, für die Bundesregierung stelle sich die Frage, ob sie die Grenzen des Mandats der EZB juristisch vor Gericht prüfen lasse, sollte die Notenbank ihre Geldpolitik mittels des umstrittenen "Helikoptergelds" weiter lockern. Das Magazin beruft sich dabei auf Informationen aus dem Bundesfinanzministerium. "Die EZB ist unabhängig. Unabhängigkeit gibt es dabei nur im Rahmen des gesetzlich gegebenen Mandates", teilte ein Sprecher des Finanzministeriums am Samstag dazu mit. "Nicht zutreffend ist aber, dass die Bundesregierung juristische Schritte prüft."

Mit "Helikoptergeld" sind zielgenaue Finanzspritzen an Unternehmen und Verbraucher direkt von der Zentralbank unter Umgehung des normalen Bankensektors gemeint. Ziel: Die Wirtschaft kommt durch den Geldregen in Schwung und die Inflation zieht an. Allerdings hatte jüngst EZB-Chefvolkswirt Peter Praet einem solchen unorthodoxen Konjunkturprogramm eine Absage erteilt. Über "Helikoptergeld" werde noch nicht einmal diskutiert, sagte Praet am vergangenen Donnerstag in Frankfurt.

(felt/dpa)
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