Sparkassenpräsident Fahrenschon "Berlin muss Sparen attraktiver machen"

Berlin · Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon sorgt sich angesichts der Dauer-Nullzinsen um die Entwertung der Sparguthaben und die Zukunft der Altersvorsorge. Der Staat müsse die private Vermögensbildung deutlich stärker fördern, fordert er.

 Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon.

Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon.

Foto: Sparkassen- und Giroverband

Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), hat für unser Gespräch eine gute und eine schlechte Nachricht mitgebracht. Die gute lautet: Die deutsche Wirtschaft werde in diesem Jahr um 1,8 Prozent wachsen - das haben gerade seine Chefvolkswirte ausgerechnet. "Wir glauben, dass die deutsche Wirtschaft stark genug ist, um den schwierigen wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen zu trotzen", sagt Fahrenschon.

Keine gute Nachricht hat der gebürtige Münchner, der bis Ende 2011 drei Jahre lang bayerischer Finanzminister war, dagegen für die Sparer. Nach den Einschätzungen seiner Experten ist auf absehbare Zeit nicht mit einer Zinserhöhung im Euroraum zu rechnen - es bleibe also bei den Nullzinsen. Während der Staat bei der Schuldenaufnahme auf diese Weise viele Milliarden Euro spart, bekommen die Sparer kein Geld für ihre Ersparnisse. Der 47-jährige Ex-CSU-Politiker fordert deshalb, dass der Staat einen Teil dieser Einnahmen abgibt und das Sparen wieder deutlich stärker fördert.

Herr Fahrenschon, dank steigender Löhne und anhaltend geringer Inflation haben die Menschen in Deutschland wieder mehr in ihren Portemonnaies. Was machen die Deutschen mit ihrem Geld?

Fahrenschon Gerade durch den niedrigen Ölpreis haben die Haushalte an Kaufkraft gewonnen. Der private Konsum ist 2015 um 1,9 Prozent gewachsen und wird unserer Prognose nach auch dieses Jahr weiter steigen. Er ist und bleibt eine entscheidende Triebfeder für das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Dabei verhalten sich die Deutschen äußerst besonnen: Neben dem Konsum werden auch das Sparen und die Vorsorge nicht vergessen.

Wie sieht das genau aus?

Fahrenschon Wir sehen eine stärkere Vermögensbildung in Wertpapiere und nach wie vor in täglich verfügbare Anlagen. Daneben investieren die Menschen in die eigenen vier Wände und setzen weiterhin auf klassische Sparprodukte. 2015 haben die Deutschen rund 173 Milliarden gespart. Damit lag die Sparquote bei 9,6 Prozent, das ist höher als im Vorjahr - Tendenz für dieses Jahr weiter leicht steigend.

Dabei lässt sich mit Sparen doch seit Jahren schon kein Geld mehr verdienen.

Fahrenschon In der Tat. Egal ob Sparbuch, Tagesgeld oder Sichteinlage - auf gespartes Geld gibt es momentan so gut wie keine Zinsen. Dank niedriger Inflation und steigender Reallöhne gehen die Sparer mit dieser besonderen Situation noch entspannt um. Aber klar ist: Die Abschaffung des Zinses führt überall in Europa zu einer Entwertung der Sparguthaben.

Wie kann das verhindert werden?

Fahrenschon Wir als Sparkassen dringen darauf, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Nullzins-Politik endlich überdenkt. Die Phase, mit einer extrem lockeren Geldpolitik die wirtschaftliche Entwicklung in Südeuropa zu fördern, sollte langsam beendet werden. Sie hat nicht die erwünschten Resultate erbracht, und die gefährlichen Nebenwirkungen werden weiter zunehmen, je länger die expansiven Experimente auf dem Gebiet der Geldpolitik fortgesetzt werden.

Wenn sich auf europäischer Ebene nichts tut, was kann auf nationaler Ebene geschehen?

Fahrenschon Der deutsche Staat spart durch niedrige Zinsen jedes Jahr über 40 Milliarden Euro. Ein Teil dieses Geldes kann an die Bürger weitergegeben werden. Die Regierung sollte Sparen wieder attraktiver machen.

Wie könnte das gelingen?

Fahrenschon Dies wäre beispielsweise über eine Anpassung und Modernisierung des Vermögensbildungsgesetzes möglich. Man könnte die vermögenswirksamen Leistungen anheben - sowohl bei der Sparsumme als auch bei den Einkommensgrenzen für die Arbeitnehmersparzulage und die Wohnungsbauprämie. Untere und mittlere Einkommensschichten würden so bei Altersvorsorge und Vermögensbildung unterstützt.

Warum wäre das so wichtig?

Fahrenschon Die Nullzins-Politik gibt das Signal: Sparen lohnt sich nicht. Doch das ist grundfalsch. Sparen und Vorsorge treffen bleiben wichtig. Es gibt ein gesamtgesellschaftliches Interesse daran, an der Sparkultur festzuhalten. Denn wir wollen keine Gesellschaft, die auf Pump lebt.

Joris Hielscher führte das Interview.

(joh)
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