Kolumne: Karsten Tripp Fed-Chef besteht Bewährungsprobe

Der neue Chef der amerikanischen Notenbank, Jerome Powell, hält es wie seine Vorgänger: Von ein paar Turbulenzen an den Aktienmärkten an seinem ersten Tag im Amt lässt sich der Jurist nicht beeindrucken.

Alles gehe immer schneller, hört man bisweilen nicht mehr ganz so junge Leute seufzen. Ob Jerome Powell, der neue Chef der US-Notenbank, in den vergangenen Wochen etwas ähnliches gedacht oder gar gesagt hat, ist nicht bekannt. Allen Grund dazu hätte er. Und das hängt mit den Kursausschlägen zusammen, die uns seit Anfang Februar beschäftigen. Mit diesen Turbulenzen endete eine fast anderthalbjährige Phase ausgesprochen stetiger Aufwärtsbewegung.

Der Anlass - eine schöne Steigerung der Stundenlöhne in den USA - hätte für solche Ausschläge allein sicher nicht ausgereicht. Doch hat es Tradition, dass die Börse neue Gesichter an der Spitze der wichtigsten Notenbank ausgiebig prüft. Wie denken sie, wie reagieren sie, wie kommunizieren sie, was haben sie vor? So war es schon am "Schwarzen Montag", dem 19. Oktober 1987. Der später zur Legende gereifte Notenbank-Chef Alan Greenspan war damals gerade einen Monat im Amt, als der US-Aktienmarkt um rund ein Viertel an Wert verlor. Ein echter Grund für den Absturz war auch vor gut 30 Jahren nicht erkennbar. Doch seinerzeit ließ man dem neuen Chef noch einige Wochen Zeit bis zur Prüfung, diesmal fand sie gleich am ersten Tag statt.

Dabei liegt eine Frage auf der Hand: Was kümmert es die Notenbank, wenn Kurse fallen? Antwort: Sie wird zwangsläufig unruhig. Das hat mindestens drei Gründe: Erstens machen Kursrückschläge Anleger ärmer, und die Privatleute unter ihnen konsumieren dann nicht mehr so fleißig. Zweitens können sie das Finanzsystem ins Wanken bringen, wenn Kreditnehmer an Verlusten pleitegehen. Und drittens machen sie es für Staat und Unternehmen teurer, ihre Ausgaben zu finanzieren. Denn Kursverluste treffen ja nicht nur Aktien. Auch diesmal gerieten Anleihen ebenso unter Druck. Und niedrigere Anleihekurse bedeuten automatisch: höhere Zinsen, also teurere Kredite.

In Summe ist es Gift für die Konjunktur, wenn alles zusammenkommt: Verbraucher, die kein Geld mehr ausgeben wollen, Staat und Unternehmen, die nicht mehr investieren, und über allem die bange Frage, ob meine Bank zahlungsfähig bleibt. Also - was erwartet uns diesmal? Jedenfalls keine kurzfristige Wachstumsschwäche. Die Stimmung der Konsumenten, die ja regelmäßig rund um den Globus gemessen wird, bleibt unbeeindruckt. Die Gewinne der Unternehmen steigen kräftig weiter. So erwarten sie es jedenfalls nach eigener Aussage selbst. Die Inflationsrate, die die Notenbanken ansonsten umtreibt, bleibt in der gemäßigten Zone. Dies alles sind gute Voraussetzungen dafür, dass Jerome Powell tatsächlich das tut, was er angekündigt hat: nämlich den stetigen und zuverlässigen Kurs seiner Vorgängerin im Amt weiter zu verfolgen. Den ersten Teil seiner Reifeprüfung hätte er damit bestanden - von ein paar Turbulenzen lässt er sich nicht beeindrucken.

Die Börse hat das schnell geahnt. Die in neun Börsentagen angefallenen Verluste - immerhin rund zwölf Prozent am US-Aktienmarkt - waren nach nur vier Tagen schon zu mehr als der Hälfte wieder aufgeholt. Dennoch bleiben Spuren. Die Renditen von Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sind diesseits wie jenseits des Atlantiks nachhaltig gestiegen. In den USA liegen sie mit bald drei Prozent schon wieder so hoch wie Anfang 2014. Aber auch hierzulande ist die ersehnte Zinswende nun da. Nach und nach nehmen festverzinsliche Papiere wieder ihre klassische Rolle ein: als weniger attraktive und weniger aufregende Anlagealternative zu Aktien. Bis auf weiteres dominiert die Gewinnstärke der Unternehmen. Für risikobewusste Anleger bleiben Aktien deshalb noch immer erste Wahl. Das Tauziehen hat aber begonnen, die ruhigen Zeiten sind vorbei.

(RP)
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