Berlin Euro-Transferunion würde teuer

Berlin · Entgegen aller Schwüre der Bundesregierung sind aus Sicht von Finanzexperten die Weichen für eine europäische Transferunion spätestens auf dem Euro-Gipfel am 21. Juli gestellt worden. "Brüssel war ein deutlicher Sprung Richtung Transferunion", sagt etwa Clemens Fuest, Ökonom an der Universität von Oxford und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums.

Indem sich die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten darauf einigten, dass der Rettungsschirm EFSF künftig Anleihen von bedrohten Staaten aufkauft, würden die Verschuldungsrisiken dieser Länder vergemeinschaftet, so die Experten. Zudem gewähren die Euro-Staaten Griechenland, Portugal und Irland ab sofort Hilfskredite für einen Zinssatz von 3,5 Prozent, den am Markt nur Staaten wie Deutschland mit der höchsten Kreditwürdigkeit erzielen. Damit wird die Refinanzierung der Problemstaaten subventioniert.

Sollten die Gipfelbeschlüsse nicht ausreichen, die Spekulationen gegen Italien und Spanien einzudämmen, gibt es aus Sicht der Experten nur noch zwei Auswege, um den Euro zu retten: Entweder die Euro-Staaten führen gemeinsame Anleihen, die von Deutschland abgelehnten Eurobonds, ein – oder sie organisieren einen permanenten Finanzausgleich zwischen reichen und armen Ländern, um deren Kreditfähigkeit zu sichern. Beide Lösungen werden für Deutschland deutlich teurer als die bisherigen Rettungspakete.

Eine Studie zum Thema Transferunion zeigt, dass jährlich ein dreistelliger Milliardenbetrag notwendig wäre, der dauerhaft von den starken in die schwachen Länder fließt. Lüder Gerken und Matthias Kullas vom Freiburger Centrum für Europäische Politik (CEP) haben ausgerechnet, dass die Geberländer im vergangenen Jahr 108 Milliarden Euro nach Südwesteuropa hätten überweisen müssen. "Zu den Nehmerländern zählen wir Griechenland, Portugal, Zypern, Malta, Italien, Spanien und auch Frankreich", sagt Kullas. Frankreichs Kreditfähigkeit habe deutlich abgenommen, deshalb würde es in einer Transferunion nicht mehr zu den Geberländern gehören. Zu diesen zählt Kullas neben Deutschland die kleinen Länder Österreich, Niederlande, Belgien, Finnland, Estland und Luxemburg. Slowenien, Slowakei und Irland seien Grenzfälle. Fest steht: "An Deutschland hinge enorm viel." Wahrscheinlich zwei Drittel von 108 Milliarden.

(RP)
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