Niederlande und Luxemburg EU: Steuerdeals für Konzerne waren illegal

Brüssel · Die Niederlande und Luxemburg haben nach einer Entscheidung der EU-Kommission multinationalen Konzernen illegale Steuervorteile gewährt.

Der Unterschied zwischen Steuertrick und Steuerbetrug
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Foto: dpa, fz

Die Kaffeehauskette Starbucks in den Niederlanden und die Finanztochter des Autobauers Fiat in Luxemburg müssen nun jeweils 20 bis 30 Millionen Euro nachzahlen, wie die Brüsseler Behörde am Mittwoch entschied. Die genaue Höhe der fälligen Nachforderung müssen die nationalen Behörden nach Vorgaben der EU-Kommission ermitteln. Luxemburg kündigte allerdings bereits an, sich rechtliche Schritte vorzubehalten.

In beiden Fällen geht es erstmals um sogenannte Steuervorbescheide (tax rulings). Damit informieren die Behörden Unternehmen im Voraus über die zu erwartende Steuerlast. Das ist an sich nicht illegal - die gewährten Vorteile aber schon. Es gehe um "sehr komplexe Regelungen", sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.
Dadurch seien "Gewinne innerhalb der gleichen Gruppe von einem Unternehmen zum anderen verlagert" worden. Das kann sich aus Steuergründen lohnen.

Die niederländische Regierung ist über das Urteil der EU-Kommission zu illegaler Staatshilfe für Starbucks überrascht. Die Steuerabsprachen mit Starbucks seien nach international geltenden Regeln erfolgt, erklärte das Finanzministerium am Mittwoch in Den Haag.

Die beanstandeten Regelungen benachteiligten andere Unternehmen, die angemessene Steuern zahlten, sagte Vestager. Es handle sich damit um unrechtmäßige staatliche Beihilfen. Die vorteilhaften Regelungen müssen nun ein Ende finden.

Bei Starbucks geht es konkret um die Starbucks Manufacturing EMEA BV, die einzige Kaffeerösterei der Gruppe in Europa und um Vorteile, die sie seit 2008 erhalten hat. Sie verkauft und vertreibt gerösteten Kaffee und andere Starbucks-Produkte wie Becher oder Gebäck. Die Rösterei zahlte einer in Großbritannien ansässigen Starbucks-Tochter Alki sehr hohe Lizenzgebühren für Know-How, so die EU-Kommission - dadurch werde ein großer Teil der versteuerbaren Gewinne zu Unrecht an Alki weitergereicht. Alki wiederum müsse weder in Großbritannien noch in den Niederlanden Körperschaftssteuer zahlen.

Weiterhin erhielt ein Schweizer Zweig von Starbucks von der Rösterei in den Niederlanden einen überhöhten Preis für grüne Kaffeebohnen. Das verringerte die Steuergrundlage der Rösterei künstlich, so die europäischen Wettbewerbshüter.

Bei Fiat nimmt die EU-Kommission eine Regelung aus dem Jahr 2012 ins Visier. Die Fiat-Finanztochter Fiat Finance and Trade konnte laut EU-Kommission etwa ihr Eigenkapital künstlich herunterrechnen - die Behörde spricht von "wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Annahmen und Anpassungen nach unten". Dadurch konnte das Unternehmen die Steuern verringern.

Das Luxemburger Finanzministerium wehrte sich umgehend gegen die Darstellung der Brüsseler Wettbewerbshüter: "Luxemburg teilt nicht die Schlussfolgerungen der Kommission im Fall Fiat Finance and Trade und behält sich alle rechtlichen Schritte vor. Luxemburg wird die Entscheidung der Kommission und deren Begründung eingehend prüfen."

Weitere Ermittlungen der EU-Kommission sind noch im Gange. Dabei geht es um Apple in Irland, Amazon in Luxemburg und um eine belgische Steuerregelung.

Der Stand der Dinge im Überblick:

Vor allem um die Frage, ob Staaten Großkonzernen illegale Vorteile eingeräumt haben, um sie an sich zu binden. Die Ermittler schauen sich dafür vor allem sogenannte Steuervorbescheide an. Das sind schriftliche Erklärungen von Steuerbehörden an Unternehmen, die im Vorhinein festlegen, wie die Steuer zu berechnen ist und welche Vorschriften angewendet werden. Die EU prüft, ob Behörden zugelassen haben, dass einzelne Unternehmen ihre zu versteuernden Gewinne mit Hilfe von für sie günstigen Berechnungsmethoden zu niedrig ansetzen.

Die im vergangenen Herbst veröffentlichten Enthüllungen zu zweifelhaften Steuersparmodellen in Luxemburg haben die Aufmerksamkeit für das Thema deutlich erhöht und weitere Ermittlungen angestoßen. Die Verfahren zu Regelungen für den Smartphone-Riesen Apple in Irland, die Kaffeehauskette Starbucks in den Niederlanden sowie eine Fiat-Tochter und Amazon in Luxemburg begannen allerdings bereits vor der "Luxleaks-Affäre".

Das ist eine der großen offenen Fragen. Eine EU-Richtlinie zur Zusammenarbeit in Steuerfragen sieht eigentlich vor, dass die Finanzbehörde eines Mitgliedstaates andere EU-Länder informiert, wenn sie zum Beispiel "Gründe für die Vermutung einer Steuerersparnis durch künstliche Gewinnverlagerungen innerhalb eines Konzerns" hat oder "Steuerverkürzung in dem anderen Mitgliedstaat" vermutet.
Möglicherweise haben viele Länder zweifelhafte Praktiken genutzt, um Unternehmen in ihrem Land zu halten - und deswegen andere Staaten nicht angeschwärzt.

Eine Einzelfall-Untersuchung läuft bislang nicht. Die EU-Kommission nimmt allerdings auch deutsche Steuerregelungen für Unternehmen genauer unter die Lupe. Dafür hatte sie bereits im Juni ausgewählte Steuervorbescheide angefordert. Ähnliche Anfragen gingen damals an 14 weitere Mitgliedstaaten.

Die EU-Kommission hat im März ein Steuertransparenzpaket präsentiert. Es sieht unter anderem einen verpflichtenden, automatischen Austausch zu Steuerabsprachen für Konzerne ("tax rulings") vor. Die Mitgliedstaaten haben eine erste neue EU-Richtlinie bereits auf den Weg gebracht. Sie wollen neue Transparenzregeln bis Ende 2016 in nationales Recht umsetzen.

Wenn die EU-Wettbewerbshüter Steuerabsprachen als rechtswidrige Beihilfen einstufen, drohen den Unternehmen Nachzahlungen in Millionenhöhe. Niemand rechnet allerdings damit, dass die Forderungen existenzbedrohend sein könnten. Große Frage ist, wie die Konzernzentralen reagieren. Akzeptieren sie langfristig eine deutlich höhere Steuerlast? Oder versuchen sie zumindest so lange auf andere Länder auszuweichen, bis global alle Schlupflöcher geschlossen sind? In eine positive Richtung bewegte sich der Onlineversandhändler Amazon. Er kündigte im Mai an, Gewinne nicht mehr zentral in der Europazentrale in Luxemburg, sondern in einzelnen europäischen Ländern, darunter in Deutschland zu versteuern.

Kritiker werfen Juncker vor, in seiner Zeit als Luxemburger Regierungschef (1995-2013) Steuervermeidungsmodelle zumindest geduldet zu haben. Vor dem "Luxleaks"-Sonderausschuss im EU-Parlament sagte er im September: "Ich habe in Luxemburg kein System der Steuerhinterziehung, der Steuerhintertreibung oder der Steuervermeidung zulasten anderer europäischer Staaten erfunden." Bei den Ermittlungen der EU-Kommission ist er nach eigenen Angaben außen vor. Sie werden von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager geführt.

(felt/AFP/dpa)
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