Erbschaftsteuer Erben wird noch komplizierter

Berlin · In letzter Minute hat sich die große Koalition auf neue Regeln für das Vererben von Firmen-Vermögen geeinigt. Der Staat legt die Hürden für die Befreiung höher, auch bei Kleinbetrieben. Für Familienunternehmen gibt es Erleichterungen.

Erbschaftsteuer: Erben wird noch komplizierter
Foto: Stephanie Pilick

Union und SPD haben sich nach langem Tauziehen auf eine Reform der Erbschaftsteuer geeinigt. Das Verfassungsgericht hatte eine Neuregelung bis Ende Juni gefordert. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden und rückwirkend zum 1. Juli in Kraft treten. Offen ist aber, ob die grün-regierten Länder im Bundesrat das Gesetz passieren lassen. Firmenerben bleiben demnach grundsätzlich von der Erbschaftsteuer verschont, wenn sie den Betrieb sieben Jahre fortführen und die Lohnsumme konstant halten. Jedoch werden die Hürden für die Befreiung auf Geheiß der Richter erhöht.

Kleinbetriebe Bislang blieben Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern verschont, ohne dass sie den Erhalt der Arbeitsplätze nachweisen mussten. Künftig sind nur noch Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern von der Nachweispflicht ausgenommen, wie es in einer Erklärung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und CSU-Chef Horst Seehofer heißt. Immerhin werden Saisonarbeiter nicht mitgezählt.

Große Vermögen Beträgt das vererbte Vermögen mehr als 26 Millionen Euro, wird Erbschaftsteuer fällig - es sei denn, der Erbe weist mittels einer Bedürfnisprüfung nach, dass ihn die Zahlung überfordert. Dabei geht es potenziell um 10.000 Betriebe. Um Bedürftigkeit nachzuweisen, muss der Erbe sein Privatvermögen offenlegen. Privatvermögen kann bis zur Hälfte belastet werden. Wer sein Privatvermögen nicht offenlegen will, kann alternativ ein Abschlagsmodell wählen: Er bekommt einen Nachlass bei der Steuer, doch der fällt umso geringer aus, je größer das Erbe ist. Konkret verringert sich der Verschonungsabschlag für jede 750.000 Euro, die das Vermögen oberhalb von 26 Millionen liegt, um einen Prozentpunkt.

Ab 90 Millionen Euro wird die volle Steuer fällig. "Es gibt Leute, die sagen, das sei eine indirekte private Vermögensteuer. Wenn das so ist, hab' ich jedenfalls nichts dagegen", sagte Sigmar Gabriel.

Familienunternehmen Der Verband "Die Familienunternehmer" würdigte die Reform gegenüber Schäubles ersten Vorschlägen als "entscheidende Verbesserung für mittelständische Familienunternehmen". So berücksichtigt der Fiskus nun, dass sich Eigentümer von Familienunternehmen oft verpflichtet haben, sich ihre Anteile gegenseitig unter dem Marktwert zu verkaufen. Dieser Abschlag wird nun bei der Firmenbewertung berücksichtigt. Zudem können Familienunternehmen auch für Tochter-Gesellschaften, die außerhalb der EU liegen, eine Vergünstigung nutzen.

Verwaltungsvermögen und Investitionsrücklage Vermögen ist nicht gleich Vermögen. So bleibt es bei der Unterscheidung von Betriebs- und Verwaltungsvermögen. Zum Betriebsvermögen, das von der Besteuerung verschont werden kann, zählen etwa Maschinen und Werksgrundstücke. Verwaltungsvermögen kann nur zu zehn Prozent befreit werden. Die Stiftung Familienunternehmen, in der auch Henkel und Haniel sind, begrüßt, dass der Staat schonend mit Investitionen umgeht. Hat der Erblasser verfügt, dass ein bestimmter Betrag binnen zwei Jahren investiert werden soll, wird dieser als Investitionsrücklage gewertet und steuerrechtlich begünstigt. Zugleich warnt die Stiftung vor großen Praxisproblemen. Für nicht wenige Unternehmen drohe eine so starke Erhöhung, dass dies Überlegungen zu Abwanderung befördern werde, sagte Stiftungs-Vorstand Rainer Kirchdörfer.

Privaterben Bei der aktuellen Reform geht es nur um Firmenerben. Bei den Regeln für Privaterben ändert sich nichts. Für das sprichwörtliche "Häuschen von Oma" gelten auch weiterhin die hohen Freibeträge für Partner, Kinder, Enkel.

Ursprünglich hatte sich die Koalition schon im Februar auf einen Kompromiss geeinigt, den die CSU dann wieder in Frage stellte. Nun wurde ein neuer Kompromiss geschnürt. Für die Union ist die Einigung ein Signal für die Klausursitzung am Freitag und Samstag in Potsdam. Nach Wochen des Streits wollen CDU und CSU eine Linie für den Wahlkampf 2017 ausloten.

Carsten Schneider, Vize-Chef der SPD-Fraktion, sagte: "Unsere Ziele wurden erreicht: Arbeitsplätze schützen, Aufkommen sichern und eine verfassungsfeste Regelung. Das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer wird sogar noch steigen." Zuletzt brachte die Steuer dem Fiskus 5,4 Milliarden Euro. Nun sollen es 235 Millionen mehr sein. "Darüber hinaus wird es künftig weniger Begünstigungen für sehr reiche Unternehmenserben geben, missbräuchliche Steuergestaltungen werden eingeschränkt", so Schneider. Ifo-Chef Clemens Fuest widerspricht: "Die Politik hat die Chance zur grundlegenden Reform verpasst." Man halte fest an der Kombination aus hohen Sätzen und komplexen Ausnahmen. "Auch künftig können sehr große Vermögen unbesteuert übertragen werden, während nicht begünstigte kleinere Vermögen bis zu 50 Prozent besteuert werden."

(qua)
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