Einzelhandel in Deutschland Große Läden, wenig Personal

Berlin · Die Ansprüche im Einzelhandel sind gestiegen: Die Kunden können länger und auf größeren Flächen einkaufen. Zugleich ist die Stundenzahl des Personals gesunken. Die klassische Frage "Kann ich Ihnen helfen?" hören Kunden heute immer seltener.

Einzelhandel in Deutschland: Große Läden, wenig Personal
Foto: Weber

Das Arbeitsvolumen der Angestellten im Einzelhandel ist von 4,6 Milliarden Stunden im Jahr 1994 auf 4,1 Milliarden Stunden 2014 gesunken. Der Trend geht zu immer mehr Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung. So ist auch die Wochenarbeitszeit von früher im Durchschnitt 33 Stunden auf heute 26,5 Stunden gesunken. Dabei müssen durch die veränderten und vielerorts damit verlängerten Ladenöffnungszeiten immer mehr Abendstunden sowie Wochenenden abgedeckt werden.

Heutzutage müssen dreimal so viele Angestellte Schichtarbeit leisten wie noch vor 20 Jahren. Gleichzeitig bescheren die kundenfreundlichen Öffnungszeiten den Beschäftigten heute doppelt so viel Arbeit in den Abendstunden. Samstagsarbeit ist im Verkauf normal: Rund drei Viertel der Beschäftigten arbeiten regelmäßig samstags. Jeder zehnte Beschäftigte muss sogar regelmäßig samstags und sonntags die Kasse zum Klingen bringen.

Nach Angaben des Einzelhandelsverbandes (HDE) erzielt die Branche jährlich einen Umsatz von 470 Milliarden Euro, beschäftigt drei Millionen Menschen, die sich um täglich 50 Millionen Kunden kümmern. Ein Anteil von 28,6 Prozent aller privaten Konsumausgaben floss nach Angaben des Verbandes 2014 in den Einzelhandel.

HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth erklärt die erweiterten Flächen im Einzelhandel mit mehr Wettbewerb und den Kundenbedürfnissen nach mehr "Qualität und hochwertiger Warenpräsentation". Die größeren Flächen führten somit nicht automatisch zu mehr Arbeitsvolumen und einem größeren Personalbedarf. Zusätzlich werde die eine oder andere Tätigkeit auch von modernen, technischen Lösungen übernommen.

Die Linken kritisieren die derzeitigen Arbeitsbedingungen im Einzelhandel scharf: "Wachstum im Einzelhandel geschieht auf dem Rücken der Belegschaften", sagt Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion. "Steigende Umsätze, mehr Verkaufsflächen und verlängerte Öffnungszeiten bei gleichzeitig kontinuierlich sinkendem Arbeitsvolumen sind ein deutliches Zeichen für permanente Unterbesetzung und Dauerstress der Beschäftigten im Handel." Krellmann sprach von einer "Abart der Deregulierung", die dazu führe, dass "sich unter den reichsten Deutschen seit Jahren mehrere Einzelhändler befinden".

Die Löhne im Einzelhandel sind niedrig, wie auch aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht. So lag der Brutto-Stundenlohn 2014 im Einzelhandel bei 15,70 Euro, während er im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich bei 20,71 Euro lag.

Der Anteil der Beschäftigten mit Tarifvertrag ist den Angaben der Bundesregierung zufolge seit der Jahrtausendwende kontinuierlich gesunken. 1999 verfügten im Westen noch 83 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel über einen tariflich gebundenen Arbeitsvertrag. Im Osten waren es 38 Prozent. Im Jahr 2014 arbeiteten nur noch 38 Prozent der Beschäftigten im Westen und 19 Prozent im Osten mit einem Branchentarifvertrag.

Die Vollzeitstellen im Einzelhandel sind in den vergangenen 20 Jahren um 22 Prozent zurückgegangen, während Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung deutlich zugenommen haben. Dadurch erklärt sich auch, dass es heute zwar mehr Beschäftigte in den Geschäften gibt - diese aber weniger Stunden leisten.

Im Einzelhandel arbeiten zu mehr als zwei Drittel (69 Prozent) Frauen. Neun von zehn weiblichen Beschäftigten sind in Minijobs tätig.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort