Bielefeld Dr. Oetker verkauft seine Reederei

Bielefeld · Der Bielefelder Mischkonzern verabschiedet sich aus einem langjährigen Verlustgeschäft. Doch gut gerüstet für die Zukunft ist das Familienunternehmen noch nicht: Der Clan streitet darüber, wer künftig Vorstandschef sein soll.

Einer der großen deutschen Familienkonzerne hat ein wichtiges Problem gelöst, doch bei einem anderen wichtigen Thema herrscht weiter Uneinigkeit innerhalb des Clans. So lässt sich die Lage beim Bielefelder Oetker-Konzern beschreiben, der gestern den Verkauf der traditionsreichen Reederei Hamburg Süd an den dänischen Konkurrenten Maersk ankündigte.

Hamburg Süd beschäftigt weltweit 6000 Mitarbeiter. Für das Unternehmen fahren 189 Schiffe, davon 48 eigene. Damit zählt Hamburg Süd zu den zehn größten Containerreedereien der Welt. Damit steigt Dr. Oetker nun endlich aus der seit Jahren nur Verluste bringenden Sparte aus. Der Konzern verliert zwar fast die Hälfte seines Umsatzes von zwölf Milliarden Euro, wird aber geschätzt zwischen zwei und vier Milliarden Euro einnehmen.

Zugleich geht bei Dr. Oetker aber der Machtkampf in der Familie weiter. Bei einer Beiratssitzung in den nächsten Tagen könnte er sich entscheiden: Auf der einen Seite stehen die drei Kinder aus dritter Ehe des verstorbenen Patriarchen Rudolf-August Oetker: Alfred, Carl Ferdinand und Julia. Sie wollen laut Insidern, dass Alfred oder Carl Ferdinand als Leiter in die vierköpfige Führung kommt, wenn im Januar der dann 65-jährige Konzernchef Richard Oetker die Aufgabe abgibt.

Auf der anderen Seite stehen Richard Oetker und seine vier Geschwister aus der ersten Ehe des Patriarchen. Sie wollen, dass ein familienfremder Manager die Führung übernimmt, möglicherweise Finanzchef Albert Christmann. Um seinen eigenen Einfluss zu sichern, ließ sich Richard Oetker zudem die Leitung der wichtigen Nahrungsmittelsparte zusagen. Nach dem Verkauf der Reederei kontrolliert er damit die Hälfte des Geschäftes.

Unklar an dem ganzen Streit ist, ob es wirklich nur um die Macht geht oder auch ums Geld. So spekuliert das "Manager Magazin", dass Richard die Einnahmen aus dem Reederei-Verkauf nutzen könnte, um die verfeindeten Verwandten auszuzahlen - dann wäre endlich klar, welcher Teil des Oetker-Clans das Sagen hat.

Im Bielefelder Umfeld wird dagegen vermutet, dass es den jüngeren Geschwistern nur darum geht, bei der Führung des Konzerns mitzumischen. "Sonst würden die sich nicht so erbittert um die Posten streiten", heißt es.

Einig scheinen sich die Parteien dagegen zu sein, dass Hamburg Süd nach 80 Jahren verkauft werden musste. Experten sprechen von einer "mörderischen Konsolidierung" der Containerschiff-Branche. "Die Preise für Fracht sind extrem niedrig, da verdient keiner gut", berichtete noch am Montag eine Spitzenmanagerin der Post als wichtigem Kunden.

Hamburg Süd, das gibt Dr. Oetker ganz offen in einer Presseerklärung zu, hätte zu viel Kapital bedurft. "Dies würde zudem den Risikoausgleich innerhalb der Oetker-Gruppe empfindlich stören", heißt es in der Mitteilung. Anders formuliert: Ein weiteres Festhalten an der eigenen Reederei hätte den ganzen Konzern in Schieflage bringen können.

Nun aber hat Dr. Oetker Reserven, um die verbleibenden Geschäfte zu stärken. Das sind neben der Lebensmittelsparte (Tiefkühlpizza, Backwaren, Coppenrath & Wiese) auch noch das Düsseldorfer Bankhaus Lampe, Hotels, eine Chemiefabrik sowie die Frankfurter Radeberger-Gruppe als Marktführer im deutschen Biermark. Zu den mehr als 40 Marken gehören Jever, Schöfferhofer und Clausthaler. Die Tochter Henkell stellt Sekt und Spirituosen her (Fürst von Metternich, Wodka Gorbatschow).

Ein Schwergewicht der deutschen Wirtschaft bleibt Dr. Oetker auch nach dem Reederei-Verkauf: 400 Firmen mit 25.000 Mitarbeitern werden rund sechs Milliarden Euro Umsatz einfahren.

(RP)
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