Andreas Mundt "Die Macht der Online-Riesen immer im Blick"

Der Präsident des Bundeskartellamtes über den Umgang der Wettbewerbshüter mit Amazon, Apple, Google und Co.

bonn Der Streit um die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka war 2015 der spektakulärste Fall für das Bundeskartellamt und seinen Präsidenten Andreas Mundt. Über dieses und andere Themen sprach unsere Redaktion mit dem obersten Wettbewerbshüter.

Herr Mundt, 2015 verhängte das Bundeskartellamt Bußen von nur rund 190 Millionen Euro, nach mehr als einer Milliarde Euro 2014. Läuft etwas schief im Bonner Haus?

Mundt Nein, es war völlig klar, dass wir den Rekord von 2014 nicht wieder erreichen konnten. Damals hatten wir drei sehr große Verfahren gegen Zuckerhersteller, Bierbrauereien und Wursthersteller abgeschlossen. Aber ich bin mir sicher, dass beispielsweise unsere Bußgelder gegen Automobilzulieferer, Matratzenhersteller oder Hersteller von Fertiggaragen deutlich gemacht haben, dass wir natürlich auch 2015 konsequent gegen heimliche Marktabsprachen vorgegangen sind.

Der US-Internetunternehmer Peter Thiel meint, den größten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt würden Monopole bringen.

Mundt Peter Thiel ist ein Beispiel dafür, dass ein guter Geschäftsmann nicht unbedingt auch ein guter Volkswirt sein muss. Innovationen entstehen durch Wettbewerb, nicht durch die Dominanz einzelner Unternehmen. In einem Punkt hat Thiel aber Recht: Große Internetunternehmen wie Google, Facebook oder Ebay tendieren zu einer monopolähnlichen Dominanz, weil sie vom Netzwerkeffekt profitieren: Je mehr Nutzer mitmachen, umso mehr Anreiz besteht auch für andere Nutzer mitzumachen, umso mehr Daten sammelt das Unternehmen, umso interessantere Dienste werden angeboten - das ist für die Unternehmen und die Nutzer zunächst auch effizient. Bei zunehmender Größe sind die Vorsprünge durch andere Unternehmen aber kaum noch einzuholen. Am Ende haben wir dann gegebenenfalls ein Unternehmen, das seinen Markt beherrscht, zumindest für einige Zeit. Das ist ein Thema für die Wettbewerbsbehörden. Wir müssen darauf achten, die Märkte offen zu halten.

Google nutzt die Supergewinne aus seiner Suchmaschine, um mit neuen Geschäftsideen wie digitaler Blutzuckermessung mit einer Kontaktlinse die Menschheit zu beglücken, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg stiftet viele Milliarden für sinnvolle Projekte - stört Sie das?

Mundt Nein, Google und Mark Zuckerberg können mit ihrem Kapital machen, was sie wollen. Größe ist keineswegs verboten. Wir schreiten aber ein, wenn Märkte abgeschottet werden: Der Kunde muss von einer Plattform zur anderen wechseln können. Er sollte seine Daten stets mitnehmen können. Er darf nicht "eingeschlossen" sein.

Bisher machen die Online-Riesen, was sie wollen.

Mundt Das stimmt so nicht. Gerade die Wettbewerbsbehörden haben die Macht der Internetkonzerne im Blick. Die EU-Kommission prüft, ob Google auf seinen Suchergebnisseiten eigene Dienste systematisch bevorzugt. Auch bei Android, dem Google-Betriebssystem für Smartphones, wird überprüft, ob Google Wettbewerber behindert. Das Bundeskartellamt hat dafür gesorgt, dass Amazon den auf seiner Plattform tätigen Händlern nicht mehr verbietet, ihr Angebot außerhalb von Amazon günstiger zu verkaufen - und zwar europaweit. Nun schauen wir uns auch eine Vereinbarung zwischen der Amazon-Tochter Audible und Apple über den Bezug von Hörbüchern an. Wenn im Internetvertrieb Wettbewerber unfair abgedrängt werden sollen, können wir dies nicht akzeptieren.

Dank Internet wird auch der Warenaustausch global. Ist es da nicht widersinnig, bei Deals wie bei der vom Kartellamt abgelehnten Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka die regionale Marktmacht von Unternehmen zu untersuchen?

Mundt Nein. Die Kunden kaufen ihre Tüte Milch im Supermarkt um die Ecke. Daher müssen wir sicherstellen, dass Kunden weiter genug Ausweichalternativen vor Ort haben. Wir prüfen immer sehr genau, welche Abgrenzung eines Marktes angemessen ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Online-Handel von Lebensmitteln eines Tages so wichtig wird, dass wir zu einer neuen Marktabgrenzung kommen müssen. Für die nächsten drei bis fünf Jahre ist aber nicht von einer so gravierenden Änderung auszugehen.

Sie haben erlaubt, dass BMW, Audi und Mercedes sich gemeinsam den digitalen Kartendienst "Here" für 2,8 Milliarden Euro schnappten.

Mundt Es ist sicher sehr sinnvoll, dass sich die deutschen Autohersteller zusammentun wollen, um bei der Entwicklung selbstfahrender Autos vorn zu liegen, und dieses Feld nicht US-Konzernen wie Google überlassen. Es kam für uns in diesem Fall auf die konkrete Ausgestaltung an: Wichtig war für uns, dass die jetzt entstehende Plattform offen für andere Unternehmen ist.

Sollten die deutschen Autobauer noch mehr kooperieren, um sich gegen Google zu wehren?

Mundt Machen wir uns nichts vor: Bei mobilen Betriebssystemen beispielsweise gibt es zwei absolute Schwergewichte, Android von Google und iOs von Apple. Die anderen Systeme Windows Mobile von Microsoft und Blackberry haben nur noch sehr, sehr kleine Marktanteile. Damit die deutsche Autoindustrie nicht in eine zu hohe Abhängigkeit von den Internetkonzernen kommt, besteht natürlich ein hohes Interesse daran, dass sie für das Auto der Zukunft eigene Standards entwickelt.

Was heißt das?

Mundt Es ist nachvollziehbar, wenn die Hersteller gewisse Technologien gemeinsam entwickeln und festlegen wollen, um bei der Elektromobilität und selbstfahrenden Autos vorne zu liegen. So könnte ich mir gut Standards für einheitliche Batterien, Ladestationen und teilweise auch Software vorstellen, sofern diese Plattformen offen für Wettbewerber bleiben. Eine solche Strategie ist auch der einzige Weg, um selbstfahrende Elektroautos wirklich zum Massenprodukt zu machen. Wir haben in Europa ja auch überall die gleichen Steckdosen.

Reinhard Kowalewsky stellte die Fragen; das vollständige Interview bei rp-online.de/wirtschaft

(RP)
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