Alan Greenspan Der gefallene Magier der Märkte

New York · Viele Jahre herrschte Alan Greenspan als Chef der Notenbank über die Zinspolitik der USA. Die Märkte feierten ihn als Orakel. Mit der Finanzkrise kam sein persönlicher Absturz. Nun wird er 90 Jahre.

Er stand fast zwei Jahrzehnte an der Spitze der US-Notenbank und war der umjubelte Maestro der Märkte. Doch die Finanzkrise 2008 ramponierte Alan Greenspans Ruf. Das Genie, dem Konjunktur und Inflation zu gehorchen schienen, wurde zum Sündenbock. An seinem 90. Geburtstag am Sonntag steht Greenspans Name vor allem für eine fahrlässige Niedrigzinspolitik, die einem verheerenden Crash den Boden bereitete.

"Der großartigste Zentralbanker in der Weltgeschichte", hieß es in den Lobeshymnen der Politiker noch, als die USA Greenspan zur Jahrtausendwende erneut an die Spitze der Notenbank Federal Reserve (Fed) beriefen. Der damals bereits seit 13 Jahren amtierende Fed-Chef galt in der Welt des Geldes als Maß aller Dinge, genoss Kultstatus an den Märkten und hatte die Rückendeckung sowohl von Republikanern als auch von Demokraten.

Dabei war Greenspan zuvor in große Fußstapfen getreten. Er hatte den Job vom legendären Paul Volcker übernommen, dem es gelungen war, die galoppierende Inflation mit einer gewagten Hochzinspolitik zu zügeln. Aber Greenspan, der in New York aufgewachsene Sohn eines Börsenmaklers und Finanzanalysten, wurde selbst rasch zum Superstar unter den Geldpolitikern.

Der hagere Ökonom mit der großen Brille, der 1977 an der New York University promoviert hatte, schien alles richtig zu machen. 1987, direkt nach Amtsantritt, meisterte er das als "Schwarzer Montag" in die Finanzgeschichte eingegangene Börsenbeben. Die Fed öffnete die Geldschleusen, um die Panik der Anleger mit viel Liquidität zu kontern.

Die Methode wirkte. Sie sollte zum Markenzeichen des Notenbankchefs werden. Geboren war das Versprechen, das in den Handelssälen der Finanzprofis fortan als "Greenspan-Put" bezeichnet wurde: Wenn es hart auf hart kommt, könnt ihr euch auf die Fed verlassen. Von den Nebenwirkungen niedriger Zinsen und billigen Geldes war damals noch nicht so viel zu hören.

Greenspans Erfolg hielt an, unter seiner geldpolitischen Führung legte die US-Wirtschaft eine lange Blütezeit hin. Auch persönlich ging es ihm gut: Er war befreundet mit Ayn Rand, einer der einflussreichsten politischen Autorinnen der USA. Mit 71 Jahren heiratete er zum zweiten Mal, eine NBC-Korrespondentin am Weißen Haus.

Was seine Politik angeht, wurde es dem "Economist" im Jahr 2000 unheimlich: Das Wirtschaftsmagazin beschrieb den Notenbanker als "Allmächtigen" der Finanzwelt. "Investoren verlassen sich so sehr auf Greenspans magische Hand, dass sie die Aktien in der Annahme hochbieten, dass er sie schon retten wird, wenn es schiefgeht."

Als der Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 die Börsen erneut taumeln ließ, griff Greenspan wieder zum Allheilmittel - und senkte die Leitzinsen. Es wirkte. Doch wenn der Geldhahn zu lange offen steht, kommt es zu Flurschäden. Heute ist klar: Greenspans Geldschwemme war Wegbereiter der Spekulationsblasen, die 2007 zum Zusammenbruch des Immobilienmarktes und zur Finanzkrise führten. Die schlimmste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit fiel nicht mehr in seine Amtszeit, er ging 2006 in Rente. Die Aufräumarbeiten übernahmen seine Nachfolger Ben Bernanke und Fed-Chefin Janet Yellen.

Fehler gesteht Greenspan bis heute nicht ein: Er habe schließlich schon immer vor Übertreibungen gewarnt. So viel Starrsinn brachte dem alten Mann viel Kritik ein. Nobelpreisträger Paul Krugman sagte: "Er hat noch immer nicht die Integrität, Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen."

(dpa)
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