Kolumne Karsten Tripp Der Euro wird wieder Trumpf

Über Jahre wurde der Dollar immer teurer. Doch mit Trump und der Beruhigung der Euro-Krise wendet sich das Blatt.

An den Börsen gibt es viele mystische Marken. Dax 10.000 war so eine. Dem Aktionär ist es eher egal, ob sein Index bei 9999 steht oder einen Punkt höher. Aber so ist der Mensch: Bei Zahlen ist uns das Einfache, das "Runde" immer lieber. Eine derart mystische Marke ist auch die "Parität". Zuletzt gern verwendet für die Perspektive des Dollarkurses in Euro. Auf Deutsch: Für einen Euro sollte ich genau einen US-Dollar bekommen - und umgekehrt natürlich. Wir waren nah dran an der Parität. So bekam ich für meinen Euro Ende 2016 nicht einmal mehr 1,04 Dollar. Im August 2014 waren es immerhin 1,14 und im Juli 2008 sogar 1,59.

Sie sehen, der Dollar ist für uns Europäer in den vergangenen neun Jahren immer teurer geworden. Mit starken Schwankungen, aber in einem klaren Trend. Eben bis vor kurzem. Seither ist es für uns billiger geworden, Dollar-Waren einzukaufen - so wie Öl. Oder in die USA zu reisen. Oder eben auch Geld dort anzulegen. Warum ist es dazu gekommen? Nun gibt es Dutzende von Erklärungsansätzen für Währungsbewegungen. Mit keinem dieser Ansätze können Sie eine zuverlässige Prognose auch nur für die nächste Zeit abgeben. Manche Theorien lassen eine Art langfristigen Wert errechnen, um den die tatsächlichen Kurse schwanken. Fast alle Ansätze treffen aber in gewisser Hinsicht langfristig zu. Außer denen, die eine Verbindung zur Astrologie haben. Da wäre ich nicht ganz so sicher.

Die jüngste Bewegung des Euro - an der Börse "Befestigung" genannt - hat auch viele Profis auf dem falschen Fuß erwischt. Was übrigens gar nicht so selten vorkommt, denn an kritischen Punkten fallen Währungsbewegungen oft kräftig aus. Und die Mehrheit liegt an Wendepunkten zwangsläufig falsch. Eine Beschreibung dafür lautet: "Die Börse ist ein Mechanismus, um der größtmöglichen Zahl von Anlegern die schlimmstmöglichen Schmerzen zuzufügen."

Also, was ist passiert? Eine Währung, zumal der Dollar, ist nur zum Teil ein wirtschaftliches Phänomen. Häufig gleichberechtigt ist seine politische Aura. Die Briten haben es nach der Brexit-Entscheidung gemerkt. Da ging ihr Pfund ordentlich in die Knie, weil alle wussten: Dem Land tut der Ausstieg aus der EU nicht gut. Umgekehrt war es in den USA: Nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten haben viele geglaubt, das Land könnte wirtschaftlich wie außenpolitisch wieder mehr Stärke entwickeln. Das schob den Dollar an. Und wir erinnern wir uns: Die Eurozone galt Ende 2016 als wacklig - mit vielen Wahlen vor der Brust, bei denen ein populistischer Durchmarsch möglich schien. Was Sprengsätze an das Fundament der EU gelegt hätte.

Vorspulen zum Sommer 2017: Präsident Trump sorgt keineswegs für den großen Wirtschaftsaufschwung, und das Ansehen der USA ist nicht gewachsen. Dagegen das der EU: von Populismus keine Rede, Frankreich bereit für durchgreifende Reformen, Deutschland mit höherem Wirtschaftswachstum als die USA und ein Zerfall der Union scheint weiter entfernt als irgendwann in den vergangenen zehn Jahren. Griechenland? Einvernehmlich unter den Teppich gekehrt. Italienische Pleite-Banken? Mit Staatshilfen und Segen der EU-Kommission übernommen. EZB? Äußert sich zuversichtlich für die Konjunktur und deutet eine Umkehr in der Zinspolitik an.

Das genau ist der Stoff, aus dem große Trendwenden gemacht werden. Feste Erwartungen, geradezu Überzeugungen, werden widerlegt, und ihr Gegenteil erweist sich als wahr. Nun müssen alle handeln, und das sehr schnell. Mich würde es sehr wundern, wenn wir in absehbarer Zeit noch mal über die Euro-Dollar-Parität sprechen würden. Der Trend geht jetzt in die Gegenrichtung. Euro ist Trumpf.

DER AUTOR IST CHEFANLAGESTRATEGE PRIVATE BANKING HSBC DEUTSCHLAND.

(RP)
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