Düsseldorf Der digitale Herr Gabriel

Düsseldorf · Pünktlich zur Technikmesse Cebit hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine digitale Agenda vorgelegt. Selbstbewusst werden dort "zehn Schritte in die digitale Zukunft" formuliert. Es könnte so einfach sein - gäbe es da nicht ein Problem.

Es waren nur ein paar Sätze, doch das reichte. "Es kann nicht sein, dass wir der Bildung und Weiterbildung bei der digitalen Transformation nicht genügend Platz einräumen", polterte Sigmar Gabriel (SPD) beim IT-Gipfel der Bundesregierung im Herbst und ergänzte: "Im internationalen Vergleich sind wir wohl auch wegen der föderalen Bildungslandschaft nicht an der Spitze bei der Digitalisierung." Also werde digitale Bildung das zentrale Thema beim Gipfel 2016 in Saarbrücken spielen.

Es war ein typischer Gabriel: Kurzerhand hatte der Bundeswirtschaftsminister ein neues Thema gekapert, während Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) in der erste Reihe saß und nicht viel mehr tun konnte, als zuzuhören. Denn eigentlich müsste digitale Bildung ihr Thema sein, immerhin ist sie qua Amt für die Hochschulen zuständig. Doch das war dem SPD-Mann egal, ebenso wie der Fakt, dass Schule immer noch Ländersache ist. "Das war eine klug gemachte Botschaft an die Kollegen: Ihr tut da zu wenig", sagt einer, der dabei war. Doch Gabriels Schritt sei völlig logisch: "Den Mensch beim Veränderungen in der Arbeitswelt zu betrachten, ist schließlich ein ureigenes sozialdemokratisches Thema."

Dass die Digitalisierung die Gesellschaft, die Wirtschaft, generell die Art, wie wir leben, verändern wird, ist inzwischen wohl überall angekommen. Und doch tut sich Deutschland noch immer schwer, angemessen darauf zu reagieren.

Schnelles Internet sucht man in vielen Teilen des Landes noch immer vergeblich, an der Schule wird noch mehr mit Kreide und Tafel gearbeitet als mit Tablet und Smartphone - und in der Wirtschaft fehlen noch immer vielerorts die Gründerpersönlichkeiten. Pünktlich zur Cebit, über die "Spiegel Online" spottete, sie sei "eine Technikmesse mit Weltrang, zumindest in Hannover", präsentierte Gabriel daher eine neue Strategie, die all das ändern soll.

Die "Digitale Strategie 2025" skizziert zehn Schritte in die Zukunft, vom Glasfasernetz bis hin zur Schaffung einer Digitalagentur als Kompetenzzentrum. Die Vorgeschichte des letztjährigen IT-Gipfels setzt sich hier nahtlos fort - denn auch hier spielt Bildung eine Rolle.

Bis 2025 solle jeder Schulabgänger Grundkenntnisse in Informatik haben, fordert Gabriels Haus. Er befindet sich damit in guter Gesellschaft. Auch EU-Digitalkommissar Günther Oettinger sagte zuletzt bei einer Veranstaltung in Düsseldorf: "Zwei Semester IT tun jedem Berufsbild von morgen gut."

Beide wissen natürlich: Ohne die Länder geht es nicht. Also muss weiter gemahnt werden. Immerhin: In NRW wurde vergangene Woche beim Kongress "Lernen im Digitalen Wandel" der Landesregierung diskutiert, wie Kitas, Schulen und Hochschulen, aber auch die berufliche Aus- und Weiterbildung noch besser auf die Anforderungen der Digitalisierung vorbereitet werden können. "Wir müssen früh anfangen, alle fit zu machen", hat auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erkannt. Nun kommt es darauf an, daraus die richtigen Schritte abzuleiten.

Auch an anderer Stelle will Gabriel für bessere Rahmenbedingungen sorgen - selbst wenn dafür, wie beim Breitband-Ausbau - viel Geld nötig ist. 100 Milliarden Euro würde es nach Schätzungen kosten, bis an jede Haustür in Deutschland Glasfaserkabel zu legen. Die Konzerne scheuen vor diesen Kosten noch oft zurück - und rüsten Netze lieber mit Tricks auf, die langfristig aber kaum Verbesserungen bringen.

Gründungen will der Minister fördern, indem junge Unternehmen leichter Zugang zu (staatlichem) Kapital erhalten und von Bürokratie entlastet werden - wofür die Branche schon lange wirbt.

Und so geht es weiter auf den rund 60 Seiten: Datensicherheit stärken, aber gleichzeitig Daten als Rohstoff der Digitalwirtschaft zur Verfügung stellen; Mittelständler fit machen für die digitalen Herausforderungen; und, zu guter Letzt, die Digitalagentur auf den Weg bringen, in der Kompetenzen gebündelt werden, um die Politik zu beraten und gleichzeitig als Servicestelle bei der Umsetzung zu unterstützen.

Gabriels Agenda spricht viele wichtige Punkte an, weil sie ressortübergreifend das Thema aufarbeitet. Doch genau da liegt auch das Problem: Umgesetzt werden müssen die Themen vom Finanz-, Forschungs-, Verkehrs-, Justiz- oder Arbeitsministerium. Politik aus einem Guss gibt es ohne eigenes Digitalministerium nicht.

(frin)
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