Berlin Der Atomausstieg wird noch teurer

Berlin · Der Entwurf des Abschlussberichts ist fertig. Die Trittin-Kommission verlangt, dass die Konzerne die Milliarden-Klagen fallen lassen. Zudem will sie bis 2022 rund 18 Milliarden in bar sehen. Für das Endlager aber muss der Steuerzahler ran.

Im Pokern war die Energiebranche schon immer gut. RWE habe sein rote Zahlen in der vergangenen Woche vorzeitig mitgeteilt, um Druck auf die von der Bundesregierung eingesetzte Atomkommission auszuüben, die gerade über ihre Empfehlungen zur Finanzierung des Atomausstiegs berät, heißt es im Konzern. Auch habe man allen 19 Kommissionsmitgliedern die Meldungen zur Verfügung gestellt, um auf die beklagenswerte Lage von RWE aufmerksam zu machen. Doch die Mitleids-Nummer hatte nur begrenzten Erfolg. Jürgen Trittin (Grüne), der mit Ole von Beust (CDU) und Matthias Platzeck (SPD) die Kommission führt, ließ sich nicht beirren: "Es ist unser Ziel, das Verursacherprinzip durchzusetzen", heißt es im Entwurf des 31-seitigen Abschlussberichts, der nun vorliegt. Das heißt: Die Konzerne müssen weiter zahlen, wenngleich ihnen der Staat zur Seite springt.

Um welche Kosten geht es? Im Jahr 2022 geht das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz. Dann müssen die Konzerne die Meiler stilllegen, verschrotten, verpacken und den strahlenden Müll in ein Zwischen- bzw. Endlager bringen, wobei es ein Endlager noch nicht mal gibt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Standort bis 2031 bestimmt ist und das Endlager 2050 in Betrieb geht. Bis dahin muss der Müll in Zwischenlagern bewahrt werden.

Welche Lasten tragen die Konzerne? Die Versorger hatten gehofft, dass es nach dem Vorbild der RAG-Stiftung eine Atom-Stiftung geben würde, die ihnen alle Lasten abnimmt. Daraus wird nichts. Der Staat will, dass die "Big Four" für Rückbau und Verschrottung der Meiler zuständig bleiben - technisch wie finanziell. Die Risiken lägen andernfalls komplett bei Gesellschaft und Staat. "Daher können wir die Stiftung nicht empfehlen", heißt es im Entwurf. Immerhin dürfen die Konzerne die Rückstellungen, die sie für Stilllegung und Rückbau gebildet haben, behalten. Das sind 17,7 Milliarden Euro. Jedoch hält die Kommission dies nicht für ausreichend: Weitere 1,3 Milliarden seien schon jetzt für den schnellen Rückbau nötig. Hinzu kommt das Risiko niedriger Zinsen: Womöglich seien am Ende Gesamtrückstellungen von bis zu 69 Milliarden Euro nötig.

Welche Last trägt der Steuerzahler? Auch er kommt nicht ungeschoren davon. Die Kommission will dem Staat die Verantwortung für Zwischen- und Endlager übertragen. Zur Finanzierung soll ein öffentlich-rechtlicher Fonds etwa in Form eines vom Bundesfinanzminister überwachten Sondervermögens gebildet werden, an den die Konzerne 18 Milliarden Euro Rückstellungen übertragen müssen. Und zwar "in geldlicher Form" und bis 2022.

Da die Unternehmen das Geld nicht im Tresor liegen, sondern in Netzen und Kraftwerken gebunden haben, werden sie hierfür Fremdkapital einsammeln müssen, indem sie etwa Anleihen herausgeben. Das dürfte die Rating-Note weiter belastet. Schon jetzt kämpft insbesondere RWE um den Erhalt seiner noch passablen Bonitätsnote.

Das größte Risiko aber bleibt beim Steuerzahler hängen: Weil die Endlagerkosten langfristig anfallen, kann keiner sie heute verlässlich schätzen. Alle Kostensteigerungen hier trägt der Steuerzahler. Dennoch sei das eine Risikominimierung gegenüber der aktuellen Lage.

Was verlangt die Kommission als Gegenleistung? Als Gegenleistung für die staatliche Hilfe verlangt die Kommission, dass die Versorger ihre zahlreichen Klagen gegen Bund und Länder sowie vor einem internationalen Schiedsgericht fallen lassen. Die Versorger haben den Staat unter anderem wegen des Atomausstiegs und der Brennelemente-Steuer auf Milliarden verklagt. Umstritten ist noch die Nachhaftung. Ein Teil der Kommission will, dass die Konzerne so lange mithaften müssen, bis das Endlager in Betrieb ist. Darum wird in den nächsten Tagen weiter gefeilscht werden. Am 3. März will die Kommission ihren Bericht der Bundesregierung vorstellen.

(anh)
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