Köln Dekkers gibt das Bayer-Steuer an Baumann ab

Köln · Der Niederländer wird von Aktionären gefeiert - und vom Aufsichtsratschef umarmt. Ab Montag lenkt ein Krefelder den Pharmariesen.

Fast sechs Jahre stand Marijn Dekkers an der Bayer-Spitze. Manches in dem sehr deutschen Konzern war ihm erst fremd. Doch gestern, auf der Hauptversammlung in Köln, war alles anders: "Es fühlt sich an wie ein Heimspiel. Und ein Heimspiel hat ein Holländer nicht oft in Deutschland", sagt Dekkers. Für den Pharmakonzern war der Einkauf des Niederländers mit amerikanischen Pass ein Glücksfall. Der 58-Jährige verabschiedet sich mit Rekorden: Er hat Bayer zum wertvollsten deutschen Konzern gemacht, der 2015 einen Rekordgewinn von zehn Milliarden Euro einfuhr und nun zwei Milliarden Euro Dividende an die Aktionäre und eine Milliarde Erfolgsbeteiligung an die Mitarbeiter ausschüttet.

Dekkers war der erste externe Chef in der 150-jährigen Bayer-Geschichte. Werner Wenning, der ihn geholt hat, ist sichtlich froh, dass das Wagnis gelang. "Obwohl Sie aus einer anderen Unternehmens-Kultur kamen, haben Sie sich schnell auf Bayer und seine Tradition einlassen und die Erwartungen mehr als erfüllt", sagt der Aufsichtsratschef. Dekkers habe Bayer weiterentwickelt und viel bewegt. Und dann umarmte der große Mann aus Opladen den kleinen Mann aus Tilburg - und der war sichtlich bewegt.

Die Mahnung von Dekkers: "Für Bayer sind Innovationen die Zukunft." Laut Boston Consulting seien die US-Giganten Apple und Google die innovativsten Konzerne der Welt. "Aber Bayer liegt schon auf Platz 11." Der Chemiker fordert die deutsche Politik auf, Forschung steuerlich zu fördern und neue Arzneien von den Krankenkassen besser bezahlen zu lassen. "Innovationen sind auch die Zukunft für Deutschland."

Am Montag übernimmt Werner Baumann das Steuer des Weltkonzerns. Mit Baumann komme ein hervorragender interner Nachfolger, sagt Wenning. Er hatte den jungen Kaufmann einst entdeckt, gefördert und in den Vorstand geholt.

Baumann, der aus einer Bäcker-Familie stammt, ist wie Dekkers frei von Hierarchie-Gehabe. Dazu passt, dass er auf einen Dienstwagen verzichtet, sondern höchstens mal die Fahrbereitschaft nutzt. Als Fan von Kultautos fährt Baumann lieber mit seinem alten Mercedes oder Golf GTI vom heimischen Krefeld nach Leverkusen. Er gilt als schneller Denker, gelassener Chef und hat wie Dekkers einen trockenen Humor.

Baumann verspricht, eine Revolution werde es bei Bayer nicht geben. Doch Hausaufgaben warten auch auf ihn. Aktuell habe Bayer zwar Kassenschlager wie das Schlaganfallmittel Xarelto. Doch ein neues Erfolgsmedikament sei nicht in Sicht, kritisiert Aktionärsschützer Joachim Kregel (SdK). "Bayer scheint noch immer zu klein, um kontinuierlich Blockbuster produzieren zu können." Hoher Umsatz allein sichere keine Rendite.

Sein Kollege Marc Tüngler (DSW) fordert von Baumann mehr Dividende: "Bayer ist der wertvollste Konzern, aber Daimler zahlt mehr. Stoßen Sie Daimler vom Dividenden-Thron." Zugleich sorgt sich Tüngler um die Klagewelle gegen Xarelto. "Ist dies nur ein Sport der US-Anwälte oder kommt eine neue Affäre auf Bayer zu?" Der Cholesterinsenker Lipobay hatte Bayer 2001 in seine schwerste Krise gestürzt.

In der Kölner Messe melden sich auch viele Naturschützer zu Wort. Sie werfen Bayer vor, mit Pestiziden für das Bienensterben verantwortlich zu sein. Und Gegner der CO-Pipeline fordern einen endgültigen Stopp. Das sei Bayer-Pflicht, auch wenn die Pipeline jetzt zur Tochter "CO-vestro" gehöre. Der Chef ist neu, ein paar Baustellen bleiben.

(anh)
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