Ravensburg Das Puzzle-Paradox

Ravensburg · Obwohl Smartphones und Spielekonsolen die Kinderzimmer erobert haben, ist der Puzzle-Hersteller Ravensburger erfolgreicher als je zuvor. Wieso eigentlich?

Um den Erfolg von Ravensburger zu erklären, muss man eigentlich nur ein paar Namen nennen: Memory, Das verrückte Labyrinth, Scotland Yard, Elfer raus, Sagaland oder Fang den Hut. Der baden-württembergische Puzzle- und Spielehersteller ist deutsche Kinderzimmer-Geschichte, sein Firmenlogo - das blaue Dreieck - genauso berühmt wie manches Spiel.

Auch heute, mehr als 125 Jahre nach der Gründung des Verlags durch Otto Maier, werden unter zahlreichen Weihnachtsbäumen in Deutschland wieder Bücher, Spiele oder Puzzles des Unternehmens liegen. Und obwohl in Kinderzimmern Smartphones und Spielekonsolen Einzug gehalten haben, ist Ravensburger erfolgreicher denn je.

Allein zwischen Januar und Oktober wuchs das Unternehmen nach Angaben des Bundesverbands des Spielwaren-Einzelhandels um sechs Prozent. Im vergangenen Jahr setzte man mit einem Angebot von 8000 verschiedenen Büchern, Spielen und Puzzles 373 Millionen Euro um, 2013 waren es nur rund 359 Millionen Euro. Die Kassenschlager von einst sind auch heute noch Umsatzbringer - wie etwa Memory, das bereits 1959 auf den Markt kam. "Puzzles und Brettspiele haben in der Gesellschaft einen festen Platz und werden diesen auch immer haben - trotz Digitalisierung", hatte Ravensburger-Chef Karsten Schmidt zuletzt in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" gesagt.

Dauerhaften Erfolg sichert das jedoch nicht, das weiß auch Schmidt. Denn die Gesellschaft verändert sich. Das erlebt der Firmenchef auch an sich selbst: "Wenn ich alleine im Restaurant sitze und auf mein Essen warte, spiele auch ich auf dem Smartphone." Trotzdem ist Ravensburger vorsichtig.

Denn in der langen Firmengeschichte gab es nicht nur gute Jahre. Doch der Reihe nach: Denn bevor Ravensburger sich mit Ausflügen in neue Geschäftsbereiche gewaltig verhob, stand zunächst mal eine lange Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs. 1883 hatte Otto Maier den kleinen Verlag, der bis heute in Familienhand ist, in Ravensburg gegründet. Ein Jahr später brachte er das erste Spiel für den Preis von drei Goldmark auf den Markt: Reise um die Welt. Damals mussten noch Zinnfiguren über das Spielfeld bewegt werden, heute sind die kleinen Männchen aus Holz oder Plastik.

Es folgten immer neue Spiele in den Jahren darauf - die sich auch dem Zeitgeist anpassten. 1909 ging es daher auch um eine Reise "In die deutschen Kolonien", 1934 spielte man sogar eine "Deutschland-Reise", deren Karte auf der Verpackung bereits kurz nach Hitlers Machtergreifung weitsichtig das deutsche Gebiet von der französischen bis zur russischen Grenze zeigte.

Heute wäre so etwas undenkbar, Spiele wie "Phase 10" oder "Lotti Karotti" sind völlig unpolitisch - immerhin müssen sie auch dem strengen Blick der Mütter genügen, wie Schmidt weiß: "Mütter verhalten sich beim Spieleeinkauf wie Lehrer und achten darauf, dass ein Spiel sinnvoll und lehrreich ist." Ähnliches gilt für Kinder-Sachbücher der Reihe "Wieso, weshalb, warum". Väter wiederum kaufen Spiele laut Schmidt eher ein wie Ingenieure und achteten auf Qualität und Haltbarkeit.

Gleichzeitig folgen sie immer einem bestimmten Muster: Denn ein gutes Spiel darf in der Regel nicht zu lange dauern, die Regeln müssen leicht verständlich sein, der Sieger nicht sofort absehbar. Und natürlich muss es am Ende auch Lust auf eine Wiederholung machen.

Diesen Grundsätzen bleibt Ravensburger, dessen blaues Firmenlogo erst 1974 eingeführt wurde, bis heute treu. Allerdings werden diese Modelle inzwischen auch auf anderen Kanälen angewandt: Ravensburger-Puzzles und -Spiele gibt es auch als Apps, auch wenn sich das Unternehmen mit rein digitalen Angeboten noch schwertut - zu schmerzhaft sind die Erinnerungen an vergangene Ausflüge in den Bereich neue Medien. Denn laut "Manager Magazin" hätte sich das Unternehmen mit dem Verkauf von Computerspielen wie "Moorhuhnjagd" oder einer börsennotierten TV-Gesellschaft beinahe verzockt. Einen zweistelligen Millionenverlust machte man nach dem Platzen der Blase am "Neuen Markt" um die Jahrtausendwende. In der Firmenchronik heißt es dazu, man besinne sich seitdem wieder auf die Kernkompetenzen - und nicht auf Projekte wie einen Freizeitpark, den Ravensburger ebenfalls mal betrieb.

Heute sorgen einerseits die Klassiker - Puzzles, Spiele, Kinderbücher - für stabile Zahlen. Gleichzeitig punktet man mit Innovationen wie den 3D-Puzzles oder dem Tiptoi-Stift, mit dem Kinder bestimmte Bilderbücher hörbar machen können. Der Stift ist ein Kassenschlager, rangiert auch momentan unter den Spielzeug-Bestsellern bei Amazon. In dem Segment - der Verknüpfung von analoger und digitaler Spielewelt - will Ravensburger weiter wachsen. Beweisen muss das Unternehmen niemandem mehr etwas. Längst ist klar, dass Tradition und Innovation kein Widerspruch sind.

(frin)
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