Düsseldorf Das Prinzip Hoffnung

Düsseldorf · Nach hohen Millionenverlusten will Karstadt 2016 wieder Gewinn machen. Handelsexperten halten das Ziel für unrealistisch und die Geschäftsstrategie für veraltet: Der Konzern habe das Online-Geschäft sträflich vernachlässigt.

Düsseldorf: Das Prinzip Hoffnung
Foto: dpa, jps cul csa

Wer die von Karstadt veröffentlichten Zahlen im Bundesanzeiger liest, fragt sich, woher der Optimismus kommt: "Für das Geschäftsjahr 2015/2016 erwarten wir erstmals wieder ein positives Jahresergebnis", erklärt dort der Konzern. Das oberste Ziel sei das Erreichen der Gewinnzone. Dabei hat der Essener Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr, von Oktober 2013 bis September 2014, 190 Millionen Euro Verlust gemacht. Der Umsatz sank um 2,7 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. Dabei wuchsen in dem Zeitraum die Wirtschaft und der private Konsum. Und auch für das aktuelle Geschäftsjahr, das bis Ende September andauert, rechnet der Konzern mit einem Minus "im mittleren zweistelligen Millionenbereich".

Entsprechend pessimistisch fallen die Prognosen von Experten aus. "Das Vorhaben ist extrem ehrgeizig. Es gelingt nur, wenn Karstadt den Umsatzrückgang stoppen kann" sagt Handelsexperte Gerd Hessert von der Universität Leipzig. Gerrit Heinemann, Professor für Handel an der Universität Niederrhein, glaubt nicht an eine Wende: "Der Plan, im kommenden Geschäftsjahr Gewinn zu machen, dürfte betriebswirtschaftlich kaum umsetzbar sein. Und ich wüsste nicht, wie die

Verlustausweitung der letzten Jahre bei dem immer stärkeren Umsatzverfall so plötzlich gestoppt werden kann." In der Tat muss der Konzern seit drei Jahren sehr hohe Verluste verbuchen - 2012 betrug das Minus sogar eine viertel Milliarde Euro -, nachdem die Insolvenz 2009 für eine kurzfristige Verbesserung gesorgt hatte. Den letzten Gewinn machte Karstadt laut Bilanzen im Jahr 2002. "Bei diesem Vorhaben regiert allein das Prinzip Hoffnung", sagt daher Gerrit Heinemann.

Karstadt begründet die Verluste mit den hohen Kosten für Sanierungsmaßnahmen. So seien 2013/2014 über 80 Millionen Euro vor allem für Abfindungen und Sozialpläne ausgegeben worden. Denn Karstadt schrumpft und hat zudem eine Reihe von Tochterunternehmen abgegeben oder vom Markt genommen. Und dabei soll es nicht bleiben: 2016 sollen vier weitere Filialen geschlossen werden. Noch kommen Karstadt und Konkurrent Kaufhof zusammen auf rund 180 Filialen - Experten sehen langfristig jedoch nur Platz für 60 bis 70.

"Mit den Sparprogrammen können die Verluste zwar reduziert werden, aber nachhaltig sind sie nicht, denn sie führen offensichtlich zu überproportional hohen Umsatzrückgängen", urteilt Handelsexperte Heinemann. Es fehle an einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell für die Warenhäuser in einer immer stärker digitalisierten Wirtschaft. Der Geschäftsbericht bleibt in dieser Hinsicht vage. Karstadt soll "seiner Kundschaft ein inspirierendes, attraktives Einkaufserlebnis einerseits und eine komfortable und bequeme Bedarfsdeckung andererseits bieten". Kernzielgruppen seien sowohl die sogenannte Best und Silver Ager (Menschen mittleren Alters) als auch junge Familien.

"Das sind reine Willenserklärungen, die so schon seit 20 Jahren wiederholt werden", sagt Heinemann. Und auch Gerd Hessert hält die Strategie für wenig fundiert: "Worin genau besteht das Einkaufserlebnis?" Auch der Fokus auf die Nahversorgung funktioniere nicht mehr, da immer mehr Kunden Waren im Internet bestellen.

Genau hier sehen Experten auch das größte Versäumnis: Während Warenhäuser in Großbritannien und Nordamerika bis zu 30 Prozent ihres Umsatzes im Internet machen, hätten die deutschen Warenhauskonzerne diese Entwicklung total verschlafen. "Die angelsächsischen Unternehmen haben sich regelrecht neu erfunden und massiv in neue Technologien investiert", sagt Heinemann. Vorreiter wie der britische Konzern John Lewis würden sämtliche Kommunikationskanäle bedienen, Kunden könnten online Beratungstermine und Artikel reservieren und dann am gleichen Tag noch im Kaufhaus abholen oder nach Hause liefern lassen.

Kaufhof, das im Juni vom Kaufhauskonzern Hudson's Bay Company gekauft wurde, werde vom Know-how der Kanadier profitieren, ist sich Heinemann sicher. Der Druck auf Karstadt werde also weiter steigen.

(RP)
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