Frankfurt Das Pfund fällt auf Thatcher-Tief

Frankfurt · Vergeblich bemühte sich Schatzkanzler Osborne, die Börsen zu beruhigen. Das Pfund fällt auf den tiefsten Stand seit 31 Jahren. Auch der Dax bricht weiter ein. Anleger fliehen in Gold, Bundesanleihen und Immobilien-Werte.

Der Schock über das Brexit-Votum saß Anlegern auch gestern noch in den Knochen. Die Aktienbörsen in Europa setzten ihre Talfahrt ebenso fort wie das Pfund Sterling. Vergeblich versuchte die britische Regierung um eine Beruhigung von Bürgern und Investoren. Schatzkanzler George Osborne sagte: "Unsere Wirtschaft ist so stark wie nötig, um sich der Herausforderung zu stellen, die auf unser Land jetzt zukommt." Die Regierung und die Zentralbank hätten Maßnahmen vorbereitet. Vor dem Referendum hatte er gesagt, bei einem Brexit müsse er Steuern erhöhen und Ausgaben kürzen. "Die ungewisse Lage schreckt Investoren ab", sagte Niall Delventhal vom Brokerhaus FXCM. "Dass der britische EU-Austritt noch nicht in trockenen Tüchern ist und London sich viel Zeit lassen könnte, wird nicht als ein Hoffnungsschimmer verstanden."

Raus aus dem Pfund Das britische Pfund, immerhin eine der wenigen Reservewährungen der Welt neben Dollar und Euro, beschleunigte seine Talfahrt und wertete um etwa vier Prozent auf 1,31 Dollar ab. Das war der niedrigste Stand seit September 1985, als das Land noch von Margaret Thatcher regiert wurde. Die Experten der Societé Generale halten ein weiteres Absacken auf 1,25 Dollar für möglich. "Der Druck auf das britische Pfund bleibt hoch", sagte Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte bei der Commerzbank. "Es ist noch nicht im Ansatz absehbar, welches Verhältnis Großbritannien künftig zur EU haben wird." Solange ein Ausschluss aus dem Binnenmarkt drohe, dürfte das Pfund unter Druck bleiben. Zudem zeige sich, dass die Befürworter eines Austritts keinen Plan für die Zukunft hätten. Der durch seine Wetten gegen das Pfund im Jahr 1992 berühmt gewordene Investor George Soros hat vor dem Brexit-Entscheid in Großbritannien nicht gegen die Währung gewettet. Das erklärt sein Sprecher.

Raus aus Aktien Der deutsche Leitindex Dax sackte um drei Prozent auf 9268 Punkte ab. Zu den größten Verlierern zählten die Aktien von Banken und Fluggesellschaften. Das Papier der Deutschen Bank rutschte auf ein neues Rekordtief und fiel um weitere 6,4 Prozent, die Commerzbank um 5,3 Prozent.

Zu den wenigen Gewinnern gehörten Immobilienwerte. Die Aktien von Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG Immobilien und TAG Immobilien stiegen um bis zu 3,5 Prozent. Investoren spekulierten darauf, dass viele Unternehmen wegen des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU ihre Firmensitze auf das europäische Festland verlagerten, sagten Börsianer.

Flucht in Gold Während die Anleger aus Aktien, Euro und Pfund flohen, hielt der Ansturm auf die vermeintlich "sicheren Häfen" Gold und deutsche Bundesanleihen an. Das Edelmetall verteuerte sich um weitere 1,5 Prozent auf 1335,30 Dollar je Feinunze. Auch die Aktien der britischen Goldminen-Betreibern Fresnillo und Randgold legten zu, als eine der wenigen Gewinner im britischen Leitindex.

Flucht in Bundesanleihen Am deutschen Rentenmarkt fiel die durchschnittliche Verzinsung der Bundesanleihen auf ein Rekordtief: Die Umlaufrendite sank von minus 0,20 Prozent am Freitag auf minus 0,23 Prozent. Und das hat auch ganz überraschende Folgen: Zunehmend darf die Europäische Zentralbank (EZB) deutsche Anleihen nicht kaufen, weil sie zu wenig Rendite abwerfen. Die EZB darf laut ihren Spielregeln nur Papiere einsammeln, die oberhalb des Einlagenzinses von minus 0,4 Prozent rentieren. Derzeit liegt die Rendite aller Bundesanleihen mit einer Laufzeit von sieben Jahren oder weniger unterhalb der Marke von minus 0,4 Prozent. Die einjährigen Titel rentierten mit minus 0,649 Prozent sogar so niedrig wie nie zuvor.

(RP)
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