Chrystia Freeland Kanadische Ministerin trommelt für Ceta

Berlin · Mit Chrystia Freeland holt SPD-Chef Sigmar Gabriel ein prominentes kanadisches Regierungsmitglied zum Parteikonvent am Montag. Mit ihrer Hilfe will er seine Genossen vom Freihandelsabkommen überzeugen.

 Chrystia Freeland

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Foto: Ap

SPD-Chef Sigmar Gabriel wirft sein politisches Gewicht für das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada in die Waagschale. Vor dem Parteikonvent heute in Wolfsburg warnte er, bei einem Scheitern würde niemand die Europäer noch ernst nehmen. Die Standards für Handelsabkommen würden dann China und die USA festlegen, sagte er der "Bild am Sonntag".

Bei dem Parteikonvent wird auch die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland sprechen und Ceta bewerben, wie unsere Redaktion aus Parteikreisen erfuhr. Die SPD-Führung äußerte sich am Wochenende optimistisch, dass die Basis Ceta zustimmen werde. Sollte Gabriel diese Abstimmung gegen seine Parteibasis verlieren, wären wohl auch seine Tage als Parteichef gezählt. Die Abstimmung über Ceta ist also auch ein Votum für oder gegen Gabriel als SPD-Chef und Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten.

Gastrednerin Freeland warb am Wochenende gemeinsam mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström nachdrücklich für das Abkommen und warnte zugleich vor einem neuen Isolationismus: "Ceta ist ein fortschrittliches Abkommen, das neue Standards für den internationalen Handel setzt", teilten beide in einer gemeinsamen Erklärung mit. "Die richtige Wahl ist Partnerschaft und Wohlstand, nicht Teilung und Isolation", schreiben sie. "Es ist Zeit, Brücken zu bauen, keine Mauern." Malmström und Freeland betonen, dass die EU und Kanada das Abkommen Anfang 2017 in Kraft treten lassen wollen.

Der Fahrplan sieht vor, dass nach dem EU-Parlament alle nationalen Parlamente über das Abkommen befinden. Nach der Abstimmung im EU-Parlament sollen Teile von Ceta bereits vorläufig in Kraft treten beziehungsweise angewendet werden - solche, die in EU-Zuständigkeit liegen. Welche Teile dies konkret sind, wird laut Bundeswirtschaftsministerium noch durch die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten geprüft und per Ratsbeschluss festgelegt.

Es sei das bisher modernste Freihandelsabkommen überhaupt und sehe eine kontinuierliche Überprüfung vor, ob die Ziele des Abkommens auch erreicht würden. "Ceta ist so konstruiert, dass es beiden Seiten eine ständige Anpassung erlaubt." Wo noch nötige rechtliche Klarstellungen geliefert werden müssten, werde dies geschehen.

Die Abkürzung Ceta steht für "Comprehensive Economic and Trade Agreement" ("Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen"). Anders als TTIP, das ebenfalls im Fokus stehende Freihandelsabkommen mit den USA, ist Ceta bereits seit zwei Jahren ausverhandelt, die vorläufige Endfassung wurde im Februar veröffentlicht. In dem knapp 2300 Seiten starken deutschen Text werden unter anderem großflächig Zölle zwischen der EU und Kanada abgeschafft, geografische Herkunftsangaben wie etwa die Spreewaldgurke oder die Aachener Printe geschützt sowie europäischen Unternehmen der Zugang zu Ausschreibungen in Kanada ermöglicht. Außerdem werden technische und rechtliche Standards festgeschrieben und bürokratische Hürde abgeschafft.

Als einer der größten Knackpunkte gilt der sogenannte Investorenschutz: Zwar soll es — anders als bei TTIP — keine privaten Schiedsgerichte geben, an die sich Investoren wenden können, wenn sich die Rechtslage ändert und sie deshalb einen Schaden erleiden. Doch auch bei der nun gefundenen Lösung, der Einrichtung eines öffentlichen Investitionsgerichtshofs, gibt es Widerstand. Kritiker sehen darin eine "Paralleljustiz".

Proteste gegen die Abkommen Ceta und TTIP dominierten an diesem Wochenende die Straßenbilder in sieben großen Städten, unter anderem in Berlin und Köln. Nach Veranstalter-Angaben gingen bei den Protesten rund 320.000 Menschen auf die Straße. Die Polizei zählte nur etwa 190.000.

SPD-Vize-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel warnte davor, die Entscheidung der SPD von den Protesten beeinflussen zu lassen. "Ganz sicher wird das auch eine Rolle in der Debatte spielen", sagte Schäfer-Gümbel mit Blick auf den Parteikonvent. "Aber abhängig sollten wir uns davon nicht machen." Der SPD-Vize-Chef verwies auch darauf, dass die gesellschaftliche Debatte längst Einfluss auf das Abkommen genommen haben. So habe man die SPD-Positionen zum Investorenschutz und zu den Arbeitsbedingungen durchgesetzt.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz, der neben Gewerkschaften, Verbraucherschutzorganisationen und kirchlichen Gruppen zu den Protesten aufgerufen hatte, veröffentlichte eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid, wonach nur 16 Prozent der SPD-Anhänger wünschen, dass die Bundesregierung Ceta vorläufig in Kraft setzen solle. 69 Prozent hielten dies hingegen für schlecht.

(RP)
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