Verhüllungskünstler Christo arbeitet mit Stoff vom Niederrhein

Hamminkeln · Für sein Projekt auf dem Iseosee in Norditalien hat der Verhüllungskünstler einen drei Kilometer langen Steg geschaffen. Den Stoff für die Verkleidung liefert die Setex-Gruppe aus Hamminkeln.

 Das Projekt ist gewaltig: Drei Kilometer lang und 16 Meter breit ist der Steg.

Das Projekt ist gewaltig: Drei Kilometer lang und 16 Meter breit ist der Steg.

Foto: Matteo Bazzi

Samstag ist ein großer Tag für Christo. Dann wird sein neues Projekt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: Auf dem Iseosee in Norditalien hat der Verhüllungskünstler auf einer Strecke von drei Kilometern die Inseln Sao Paolo und Monte Isola mit einem Steg mit dem Festland verbunden. "Floating Piers" lautet der Titel des Ganzen. Samstag ist aber auch ein großer Tag für Konrad Schröer aus Hamminkeln: Denn seine Firma Setex war es, die Christo für sein Projekt mit rund 90.000 Quadratmeter Stoff zur Verkleidung des Stegs versorgte.

"Ich bin sehr gespannt, wie die Installation aussehen wird", sagt Konrad Schröer unserer Redaktion. Heute reist er mit seiner Frau und seinen Mitarbeitern nach Italien, um sich das Werk — und vor allem die Verarbeitung seines Stoffes — anzuschauen. Dieser ist ein Polyamid-Gewebe, wasserfest, lichtecht, schmutzabweisend und in einem kräftigen Gelbton gehalten — ein Dahliengelb, "wie der Künstler es sich gewünscht hat", so Schröer.

Seit vielen Jahren lässt Christo die Stoffe für seine Kunstwerke in Nordrhein-Westfalen herstellen, auch den Stoff für die Verhüllung des Berliner Reichstages hat der Künstler seinerzeit hierzulande fertigen lassen — bloß, dass das Unternehmen, das sie produziert, nicht immer zur Setex-Gruppe gehört hat: Bis 2013 fertigte die Firma Schilgen in Emsdetten die Stoffe. Dann wurde sie von der Setex-Gruppe übernommen und bildet nun mit der gleichfalls übernommenen Firma Anton Cramer (Greven) das Unternehmen Setex Greven mit rund 220 Beschäftigten. Gut 200 Mitarbeiter hat die Gruppe am Sitz in Hamminkeln. Insgesamt beschäftigt die Gruppe im In- und Ausland 1200 Mitarbeiter.

Und die ist breit aufgestellt. "Wir haben eigentlich alles — nur ein eigenes Baumwollfeld fehlt uns", sagt Schröer und lacht. So fertigt Setex etwa Textilien für Matratzen, regenabweisende Stoffe für Festzelte, Textilien für die Möbelindustrie und für die Vorhänge von Theatern und Opernhäusern. Vor fünf Jahren stellte die Gruppe zudem Stoffe für die Ausstattung der Bühne des Eurovision Songcontest in Düsseldorf her, immer unter dem Motto: "Textil hat Zukunft — auch in Deutschland".

Und Konrad Schröer muss es wissen, denn als er 1990 mit seinem Geschäftspartner die Setex-Textilproduktion gründete, waren die Hochzeiten der deutschen Textilindustrie bereits vorbei. Immer mehr Stoffe wurden nicht hierzulande hergestellt, sondern importiert. Als es um die Finanzierung seines Unternehmens ging, wollte ihm deshalb keine Bank einen Kredit geben — bis auf eine kleine Filiale der Volksbank im Hamminkelner Ortsteil Dingden.

Fortan machte Schröer aus der Not der Branche eine Tugend. Liest man in der Chronik der Setex-Gruppe, liest man eine Geschichte von Übernahmen: Weberei Wisselink, Weberei Günther Meckelholt, Schilgen und Anton Cramer — in den vergangenen 25 Jahren hat die Setex-Gruppe immer mehr strauchelnde Unternehmen in der Region aufgekauft. Und das mit Erfolg: Im vergangenen Jahr machte Setex einen Umsatz von rund 150 Millionen Euro. "Ich glaube daran, dass Textilwirtschaft auch in Deutschland funktioniert, man muss aber hart arbeiten und flexibel sein. In unseren Werken wird beispielsweise an sieben Tagen in der Woche gearbeitet."

Verglichen mit Aufträgen aus der Industrie ist der Stoff, der für die Installationen von Künstler Christo produziert wird, ein recht kleines Projekt. Aber er bringt dem Hamminkelner Unternehmen Prestige, wenn bis zum 3. Juli Zehntausende Menschen über den Setex-Stoff im Iseosee laufen und sich dabei "wie bei einem Spaziergang auf einem Wasserbett" fühlen werden, wie Christo gesagt hat.

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