Konjunktur in Fernost Dem chinesischen Drachen fehlt Feuer bei Reformen

Peking · China geht beim Wirtschaftswachstum der Dampf aus. Neue Triebkräfte sind für die zweitgrößte Volkswirtschaft nicht erkennbar. Deutsche und andere europäische Unternehmen schalten in China einen Gang herunter - oder schauen sich sogar woanders um.

China: Dem Drachen fehlt Feuer bei Reformen
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Die Stimmung ist "sehr viel pessimistischer" als in den Vorjahren. "Das Wirtschaftswachstum in China geht runter, aber die Kosten gehen hoch", sagt der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, der Deutschen Presse-Agentur in Peking. Die diesjährige Umfrage unter europäischen Unternehmen zum Geschäftsklima in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde bringt überraschende Erkenntnisse. Mit neuen Investitionen halten sie sich zurück. Im laufenden Betrieb setzen sie den Rotstift an - 61 Prozent wollen ihr Personal reduzieren, um zu sparen.

Dem chinesischen Drachen fehlt Feuer. Das alte expansive Wachstumsmodell, das von Anlage-Investitionen und Export getrieben war, funktioniert nicht mehr und hat Überkapazitäten geschaffen. Jetzt wollen Chinas Führer die Wertschöpfungskette hinaufklettern und streben "qualitatives" statt "blindes Wachstum" an. Die langsamere Entwicklung wird positiv als "neue Normalität" beschrieben.

Schon Ende 2013 kündigte das Dritte Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei groß die Wende an: Der Markt solle künftig eine größere Rolle bei der Verteilung der Ressourcen spielen. Aber durchgreifende Reformen lassen weiter auf sich warten, was Ungewissheit auslöst. "Der politische Atem ist nicht groß genug", sagt Wuttke. Übermächtige Staatsbetriebe und lokaler Protektionismus bremsten die nötigen Strukturveränderungen.

"Die "neue Normalität" ist nicht normal", sagt der EU-Kammerchef. Denn es müsste auch heißen, die Wirtschaft mehr hin zum heimischen Konsum oder stärker in den Hochtechnologie-Bereich zu steuern - oder auch Bankrotte zu erlauben. "Aber hier geht es über Rhetorik nicht hinaus." Nach der Kreditlawine, mit der die globale Finanzkrise 2008 bewältigt wurde, hat China jetzt mit Schulden und strukturellen Problemen zu kämpfen. "Es ist schwieriger, bei langsamerem Wachstum Reformen durchzusetzen, als wenn alles gut läuft."

Knüppel zwischen den Beinen für ausländische Investoren

An Visionen mangelt es nicht. Aber es ist nicht zu erkennen, wie sie umgesetzt werden. Auch frage sich die europäische Wirtschaft: "Wo ist unser Platz da?", wie Wuttke sagt. Immer wieder hörten sie, wie willkommen die Unternehmen aus Europa in China seien. "Aber dann kriegen wir Knüppel zwischen die Beine geworfen."

Jüngstes Beispiel waren die Vorschriften im Finanzsektor, wonach chinesische Banken heimische Technologie einsetzen sollten. Nach einem Sturm internationaler Entrüstung wurden die neuen Regeln vorerst zurückgezogen. Was daraus wird, ist derzeit unklar. Auch gibt es Probleme mit verschärften Visaregeln. Da passe das schöne Gerede nicht zur Praxis, stellt der EU-Kammerpräsident fest.

Die Liste der alten und neuen Klagen ist lang. Trotz aller Versprechen gibt es weiter keine gleichen Wettbewerbsbedingungen. Mehr als die Hälfte der EU-Unternehmen fühlen sich gegenüber der chinesischen Konkurrenz benachteiligt. Die neue Freihandelszonen wie in Shanghai dienten eher der Internationalisierung chinesischer Firmen und seien nicht dafür konstruiert, um ausländischen Unternehmen das Leben zu erleichtern, findet die EU-Kammer.

Auch der neu vorgelegte Katalog von Industrien, wo Ausländer tätig sein dürfen, "hat keine signifikanten Verbesserungen gebracht". "Leider hat sich nichts verändert", sagt Wuttke. "Es ist eher "alte Normalität. Die Versprechen wurden nicht gehalten."

Eins hat sich aber verändert: China ist nicht mehr die einzige Wachstumsstory in der Welt. "Man kommt an China nicht vorbei, aber es ist nicht mehr das alleinige Investitionsziel", stellt der Kammerpräsident fest. Die USA seien wieder da, die EU stabilisiere sich - ähnlich Japan. Auch öffneten sich Wachstumsmärkte in Afrika. "Das sind genau die Märkte, auf denen auch Chinesen investieren."

Zwar beschreiben sich 70 Prozent der EU-Unternehmen in China als profitabel, die Gewinnmargen sind aber längst nicht mehr so hoch wie früher. So schauen sich die Unternehmen immer mehr auch woanders um.

Aber die EU-Unternehmen machen auch klar: Sollte sich ihr Marktzugang im Reich der Mitte verbessern, würden 60 Prozent (plus 5 Prozentpunkte) ihre Investitionen in China wahrscheinlich ausweiten. Wuttke sagt: "Wir sind bereit, hier mehr zu machen - nur lasst uns auch mitspielen."

(dpa)
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