Cheflobbyist Matthias Wissmann Der Schattenmann steht im Fokus

Frankfurt · Matthias Wissmann ist der einflussreichste Lobbyist Deutschlands. Doch die Nerven in der Branche liegen momentan blank - und plötzlich muss sogar der Chef des Automobilverbandes VDA um seinen Job bangen. Wissmann kämpft.

 Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (Archivaufnahme aus 2011).

Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (Archivaufnahme aus 2011).

Foto: dpa, Britta Pedersen

Es ist ein bisschen wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel: Egal, wo man bei der Automesse IAA hingeht, Matthias Wissmann ist schon da. Der VDA-Präsident schüttelt morgens beim Zulieferer Continental Hände, sitzt dann bei VW in der ersten Reihe neben Chef Matthias Müller, um später in einer anderen Halle bei Bosch aufzutauchen.

Es ist ein straffes Programm, das der Präsident des Automobilverbandes VDA in den Messetagen hat. Doch der 68-Jährige scheint ganz in seinem Element zu sein: Hände schütteln, Kontakte pflegen - kaum ein Lobbyist beherrscht das so gut wie er. Dennoch ist etwas anders in diesem Jahr: Wissmann zeigt nicht nur als Chef des Autoverbandes Präsenz, erstmals geht es auf der Messe auch um ihn persönlich.

Gerüchte über Wissmanns Ablösung

Denn ausgerechnet kurz vor der Automesse, einer der wichtigsten Branchenveranstaltungen weltweit, sickerte durch, dass Wissmann angeblich abgelöst werden soll. Die Industrie sei unzufrieden mit seinem Agieren in der Diesel-Krise, er habe zu viele Fehler gemacht, wird kolportiert. Spätestens 2018 solle er seinen Posten räumen, berichten Medien.

Es werde eine besondere Woche in brisanten Zeiten, hatte Wissmann zuletzt gesagt. Er meinte die Branche, doch natürlich lässt sich dieser Satz auch auf ihn übertragen. Er selbst will sich aber nicht zu den Diskussionen öffentlich äußern.

Seit 2007 steht der Jurist an der Spitze des Verbands. In dieser Zeit sorgte er dafür, dass es Fördergelder wie die Abwrackprämie und nicht zu harte Umweltauflagen für die Branche gibt. Und obwohl der frühere CDU-Politiker bereits zwei Ministerämter unter Kanzler Helmut Kohl innehatte, dürften die vergangenen Monate die forderndste Phase seiner Karriere gewesen sein. Trotzdem: So abtreten will Wissmann mit Sicherheit nicht, vom Hof gejagt, obwohl sein Vertrag noch bis November 2018 läuft. Oder sogar länger, auch wenn er dann schon 69 Jahre alt ist?

In der Branche sprechen sich viele für einen Verbleib des Ex-Verkehrsministers aus. "Eine Verlängerung seines Vertrages ist natürlich denkbar - aber dazu müsste auch Herr Wissmann wollen", sagt Arndt Kirchhoff, Vizepräsident des Automobilverbands. Man suche auch noch keinen Nachfolger. Und Gunnar Herrmann, Deutschland-Chef von Ford, sagt: "Ich halte Herrn Wissmann für einen extrem kompetenten VDA-Präsidenten. Er macht einen phänomenalen Job - auch in dieser schwierigen Situation." So äußern sich viele im persönlichen Gespräch, nicht jeder will jedoch namentlich damit zitiert werden.

Die großen Hersteller geben den Ton an

Denn trotz der Unterstützung ist unklar, ob Wissmann bleiben darf. Denn im VDA sind zwar 600 Mitglieder der Branche organisiert - den Ton geben aber die großen Hersteller VW, BMW und Daimler an. Dort blickt man kritischer auf den Präsidenten, obwohl man öffentlich den Plan einer Ablösung dementierte.

Dem Chef-Lobbyisten wird vorgeworfen, in der Diesel-Krise zu leise gewesen zu sein und die Interessen der Industrie nicht klarer vertreten zu haben. Auch die Äußerungen nach Bekanntwerden der Kartell-Vorwürfe gegen BMW, Daimler und Volkswagen hatten ihm einige übel genommen. Damals hatte der VDA mitgeteilt, dass illegale Absprachen ebenso wie ein Surfen in rechtlichen Grauzonen inakzeptabel seien.

Wie groß der Ärger darüber ist, kann man bei Dieter Zetsche zwischen den Zeilen lesen. Es sei nicht sein Job, ein Zeugnis für Herrn Wissmann zu erstellen, sagte der Daimler-Chef auf der IAA. Klar sei, dass man durch eine schwierige Phase gegangen sei. Diese habe der VDA nicht verursacht. Doch in dieser Phase habe man unterschiedliche Beiträge geleistet, "manche mehr wertschöpfend, andere weniger".

Wissmann war zu lange Politiker, um nicht zu wissen, was solche Sätze bedeuten. Also schlägt er jetzt forschere Töne an. In einem Interview kritisierte er zuletzt, dass es in Deutschland eine "öko-fundamentalistische Wahrnehmung" gäbe, die gerne die Apokalypse ausrufe: "Wenn schnell mal der Untergang einer ganzen Industrie vorausgesagt wird, dann ist das gefährlich."

Merkel und Wissmann müssen gemeinsam die Branche schützen

Der harte Kurs ist eine Gratwanderung, denn Wissmann weiß, dass die Branche in der Politik viel Vertrauen verspielt hat. Er darf daher sein gutes Verhältnis zu Angela Merkel nicht aufs Spiel setzen. Die beiden kennen sich schon lange. Als Verkehrsminister saß er in den 1990er Jahren am Kabinettstisch neben der damaligen Umweltministerin. Nun müssen sie gemeinsam die Branche schützen.

Bei der Eröffnung der IAA sprach Wissmann gestern daher auch davon, dass die IAA ein Gesprächsangebot in maximal unübersichtlichen Zeiten sei. Bei Wissmann ist es wie bei der Geschichte mit dem Hasen und dem Igel: Manchmal ist das, was im Verborgenen passiert, viel wichtiger, um ans Ziel zu kommen.

(frin)
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