Berlin Ceta-Urteil lässt Wirtschaft aufatmen

Berlin · Das Verfassungsgericht erlaubt der Regierung unter Auflagen, dem vorläufigen Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zuzustimmen.

Berlin: Ceta-Urteil lässt Wirtschaft aufatmen
Foto: Zörner

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und die Wirtschaftsverbände haben erleichtert auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum umstrittenen europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta reagiert. Gabriel wird nun bereits am kommenden Dienstag im EU-Handelsministerrat dem vorläufigen Inkrafttreten des Abkommens zum 1. Januar 2017 zustimmen können. Auf dem EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober soll das Abkommen dann endgültig besiegelt werden. "Das freut mich natürlich", sagte Gabriel gestern nach der Urteilsverkündung. Allerdings muss die Bundesregierung nun sehr rasch drei Auflagen des Gerichts erfüllen, die nicht einfach umzusetzen sein werden. Zum Urteil die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worum ging es in dem Eilverfahren? Dem Verfassungsgericht liegen insgesamt vier Verfassungsbeschwerden gegen Ceta vor, von denen zwei von fast 200.000 Bürgern unterstützt werden - die größten jemals in Karlsruhe eingereichten Beschwerden. Verbunden wurden sie mit Eilanträgen: Karlsruhe sollte verhindern, dass die Bundesregierung kommende Woche dem vorläufigen Inkrafttreten von Ceta zustimmt, denn der Bundestag hat den Vertrag noch nicht ratifiziert. Im Eilverfahren hatten die Richter also zunächst nur zu prüfen, ob durch das vorläufige Inkrafttreten bis zu einem endgültigen Verfassungsurteil in ein oder zwei Jahren nicht wieder rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen werden.

Wie hat das Gericht entschieden? Die Richter wiesen die Eilanträge ab. Die Bundesregierung muss aber drei Auflagen erfüllen. Bei der Entscheidung habe man eine Folgenabwägung vorgenommen, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Das Gericht sei zu dem Schluss gekommen, dass vor allem die politischen Risiken einer deutschen Blockade von Ceta größer seien als die möglichen Nachteile, die durch das vorläufige Inkrafttreten des Vertrags drohen. Eine Blockade, so Voßkuhle, hätte sich negativ auf die "internationale Stellung der EU" ausgewirkt und Zweifel an ihrer Fähigkeit, Verträge abzuschließen, ausgelöst.

Wie haben die Kläger argumentiert? Sie setzten an zwei heiklen Punkten an: Zum einen soll künftig über die Weiterentwicklung von Ceta ein "gemischter Ausschuss" entscheiden, in dem nur Vertreter der EU und Kanadas sitzen. Dadurch könnte das Demokratieprinzip verletzt sein, weil der Bundestag keine direkte Einflussmöglichkeit mehr auf die Weiterentwicklung von Ceta hätte. Zweitens soll es laut Ceta Investitionsgerichte geben. Vor ihnen könnten kanadische Investoren den deutschen Staat auf Schadenersatz verklagen, wenn dieser eine Investition behindert. Dadurch entstehe eine unzulässige "Paralleljustiz".

Welche Auflagen hat Karlsruhe gemacht? Bundesregierung und EU müssen klarstellen, dass sich das vorläufige Inkrafttreten nur auf die Teile des Vertrags bezieht, die in die Kompetenz der EU fallen. Zweitens muss Berlin sicherstellen, dass Entscheidungen des "gemischten Ausschusses" in Deutschland "demokratisch rückgebunden" werden. Das ließe sich allerdings nur einlösen, indem Berlin durchsetzt, dass jede künftige Ceta-Ausschuss-Entscheidung im EU-Rat einstimmig gebilligt wird. Drittens verlangt das Gericht eine völkerrechtliche Erklärung Berlins, dass die Bundesrepublik die Anwendung von Ceta beenden kann, sollte der Vertrag später als verfassungswidrig erklärt werden. Gabriel hatte in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch eine solche Erklärung zugesagt.

Kann Ceta noch gekippt werden? Ja, wenn Karlsruhe in ein bis zwei Jahren zu dem Schluss kommt, dass der Vertrag verfassungswidrig ist. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn es der Bundesregierung nicht gelingt, die Auflagen des Gerichts vollständig zu erfüllen.

(mar)
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