Berlin Brexit lässt deutsche Wirtschaft kalt

Berlin · Allensbach-Umfrage: Manager finden den EZB-Kurs falsch, die Politiker nicht.

Der EU-Austritt Großbritanniens wird der deutschen Wirtschaft kaum schaden, der britischen dagegen erheblich. Dies ist die Einschätzung von über 500 Spitzenkräften aus Politik und Wirtschaft, die das Institut für Demoskopie Allensbach zwischen Ende Juni und Anfang Juli im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und von "Capital" befragt hat.

Nach der Brexit-Entscheidung schätzten die Politiker und Manager des "Elite-Panels" die Konjunkturaussichten zwar etwas schlechter ein, 77 Prozent rechnen jedoch mit nur geringen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. 96 Prozent erklärten aber, ein Verbleib in der EU wäre für Großbritannien wichtig. Die EU solle den Briten jetzt konsequent die Vorteile der EU entziehen. Allerdings zeigten sich Politiker davon noch deutlich überzeugter als die Manager. 57 Prozent befürchten, dass der Brexit Signalwirkung für andere Länder hat. Um weitere Austritte zu verhindern, müsse sich die EU umfassend reformieren, forderten 87 Prozent der Manager, aber nur 63 Prozent der Politikvertreter.

Scharfe Kritik an der Europäischen Zentralbank und deren Chef Mario Draghi kam von Wirtschaftsvertretern: 56 Prozent hielten Draghis Nullzinskurs für falsch, dagegen fanden ihn aber 55 Prozent der Politiker richtig. In keiner Frage seien Politik und Wirtschaft so weit auseinander, sagte Allensbach-Chefin Renate Köcher. Das sei wenig überraschend, denn als Finanzminister sei man froh, wenn man sich kostenlos neu verschulden könne.

Dass es gelingt, die Fluchtursachen erfolgreich zu bekämpfen, bezweifelten zwei Drittel der Führungsspitzen. Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei hielten 75 Prozent für richtig. 63 Prozent rechneten jedoch mit einem erneuten Anstieg der Migrantenzahlen. Die Integrationschancen der Flüchtlinge schätzten zwei Drittel als schlecht ein, wobei der Pessimismus in der Wirtschaft noch deutlich größer war als in der Politik.

Nachdem die Flüchtlingskrise wegen der Schließung der Balkanroute vorerst abgekühlt ist, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wieder Vertrauen hinzugewonnen. Sie gilt vielen heute sogar als kompetenter und glaubwürdiger als vor einem Jahr. Etwas abgenommen hat aber das Vertrauen der Eliten in Merkels strategische Fähigkeiten.

(mar)
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