Umsatzsteigerung Nebensache Boni-Ärger überschattet VW-Bilanz

Wolfsburg · Volkswagen-Chef Matthias Müller würde trotz Abgasskandal gerne wieder über die Zukunft sprechen. Doch die Millionen-Boni für Vorstände überschatten den Plan. Niedersachsens Wirtschaftsminister hätte mehr Verzicht erwartet.

Es ist nur ein Halbsatz, aber er sagt einiges über die momentane Situation bei Volkswagen aus. Er habe Barack Obama darum gebeten, "dass die USA uns eine Brücke baut", erzählte VW-Chef Matthias Müller über sein Treffen mit dem US-Präsidenten am Rande der Hannover Messe. Eine Brücke bauen - das ist es, was überall im Konzern gerade versucht wird. Denn da ist einerseits der Abgasskandal, durch den nicht nur in den USA Milliarden-Strafen und langjährige juristische Streitigkeiten drohen. Andererseits will man in Wolfsburg aber auch wieder in die Zukunft blicken. "VW ist viel mehr als Krise", nannte Müller diesen Versuch. Bei der Vorstellung der Bilanz gestern redete er daher auch viel von Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Elektro-Mobilität.

Müller ist in einer Zwickmühle: Wie lange muss ein Konzern demütig auftreten, der jahrelang Kunden und Behörden betrogen hat? Müller findet offenbar: Langsam reicht es. Und so sagt er einerseits, dass Regeln gebrochen und Grenzen überschritten wurden, und dass ihm dies aufrichtig leid tue. Andererseits betont er auch die Erfolge: Die erneut knapp zehn Millionen verkauften Fahrzeuge, die Steigerung des Konzernumsatzes, Rekorde bei den Töchtern wie Audi oder Skoda.

Doch so leicht ist es nicht, immerhin gibt es noch dieses "aber", das im Geschäftsbericht auf Seite 49 zu finden ist. "Die Abgasthematik" heißt das Kapitel - eine ziemliche Verniedlichung eines jahrelangen Betrugs durch das Manipulieren von Abgaswerten. Ziemlich verwunderlich finden auch viele Kritiker, dass die Vorstände trotz des Skandals satte Boni erhalten. 63,2 Millionen Euro zahlt Volkswagen immerhin seinen Top-Managern für das vergangene Jahr, nur knapp fünf Millionen Euro weniger als 2014. Allein Martin Winterkorn bekommt für die neun Monate, die er im vergangenen Jahr noch VW-Chef war, ein Gehalt von rund 7,3 Millionen Euro. Dabei ist der Skandal in seiner Zeit als Konzernchef passiert.

Hans Dieter Pötsch, der seinen Posten als Finanzvorstand niederlegte und dafür den Aufsichtsratsvorsitz übernahm, bekommt immerhin 5,1 Millionen - zuzüglich einer bereits verhandelten Ausgleichszahlung in Millionenhöhe.

"Ich verstehe die öffentliche Diskussion", räumte Müller ein, der selbst mit einem Gehalt von 4,8 Millionen Euro im Mittelfeld liegt: "Ich verstehe aber nicht, dass die Diskussion in die Öffentlichkeit getragen wurde." Wer gemeint ist, sagte er nicht, allerdings hatten sich zuletzt unter anderem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD), die im VW-Aufsichtsrat sitzen, kritisch geäußert

Schmallippig blieb Müller dagegen bei Fragen zur Aufarbeitung in den USA. Hier könne man nichts sagen, um die Verhandlung mit den Behörden nicht zu erschweren. Man führe weiter konstruktive Gespräche. Das mit Obama zählt Müller wohl dazu, gleichwohl es nur zwei Minuten gedauert haben soll. "Ich habe die Gelegenheit genutzt, um mich persönlich für den Vorfall zu entschuldigen", sagte der VW-Chef. Gleichzeitig habe er darauf hingewiesen, dass er Verantwortung für 600.000 Mitarbeiter trage. Bei all den Debatten über Strafen, soll das wohl heißen, geht es auch um das Schicksal von Menschen. Eine Brücke wäre da für VW nicht schlecht.

Doch auch in Deutschland ist die Affäre nicht ausgestanden. Die Opposition im Bundestag will mit einem Untersuchungsausschuss die Verantwortung der Regierung klären. "Die Bundesregierung ist extrem zahm geblieben", sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Dafür müsse es Gründe geben.

(frin)
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