Frankfurt Was der Crash für Anleger und Jobs bedeutet

Frankfurt · Zeitweise rutschte der Wert des Dax-30 gestern um sieben Prozent ab -die Anleger sind nervös. Manche Profis raten nun zum Kauf.

Börsen brechen ein: Was der Absturz vom Montag bedeutet
Foto: dpa, jsl sh

Achterbahnfahrt am Börsenparkett: Wegen schlechter Nachrichten aus China und der New Yorker Börse rutschte der deutsche Leitindex Dax gestern zeitweise um sieben Prozent unter 9400 Punkte ab. Er erholte sich zwar, blieb aber erstmals seit mehr als sieben Monaten unter 10.000 Punkten. Wir erklären die Turbulenzen am Frankfurter Börsenbarometer.

Warum hat der Abschwung in China besonders auf Kurse deutscher Konzerne so große Auswirkungen? Weil Deutschland eines der exportorientiertesten Länder der Welt ist, haben Konzerne wie VW, Post, Bayer, BMW oder Daimler mehr als die Unternehmen in vielen anderen Ländern vom Aufschwung in den Schwellenländern und speziell China profitiert. Ihre Aktien waren auch wegen Hoffnungen auf weiteres Geschäft in China besonders hoch bewertet, entsprechend geht es nun nach unten, weil die Anleger niedrigere Umsätze und Gewinne aus China erwarten. Hinzu kommen schon länger Eon und RWE als extreme Absteiger an der Börse, weil die beiden Stromkonzerne schlimm von der Energiewende getroffen werden.

Wird der Absturz der Kurse zu Arbeitsplatzabbau führen? Nein, solange es beim reinen Kursgewitter bleibt. Ein Abschwächen der Weltkonjunktur könnte dagegen die gute Arbeitsmarktsituation in Deutschland trüben - aber das ist noch keineswegs sicher. Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise spricht von aktuell "überzogenen Rezessionsängsten" vieler Anleger - denn es gibt bisher keine Anzeichen für einen breiten Abschwung weltweit.

Verschärfen Großanleger die Krise? Das ist zu vermuten. Fonds und viele Kapitalgesellschaften steuern ihre Anlagen zunehmend über Hochgeschwindigkeitsrechner, die die Marktentwicklung sekundengenau verfolgen. Wenn nun ein Börsenindex wie der Dax sich wegen Verkäufen schnell nach unten bewegt, stoßen weitere Anlagefirmen ihre Papiere ab. "Greife nie in ein fallendes Messer", lautet denn auch eine alte Börsenweisheit: So rutschte der Dax gestern direkt um rund sieben Prozent nach unten, nachdem er einmal die Marke von 10 000 unterschritten hatte, wogegen er ab dem 15. Januar in drei Monaten um 24 Prozent nach oben schoss, nachdem die 10 000er-Marke geknackt worden war. "The trend is my friend", lautet denn auch eine andere Börsenlehre - spekuliere mit dem Markt, nicht gegen ihn.

Sollten Privatanleger aussteigen? Für Kleinanleger gilt grundsätzlich: Sie müssen an der Börse einen langen Atem haben und Papiere rund zehn Jahre halten, um Schwächephasen zu überwinden. Laut historischer Erfahrung haben Anlagen in renommierten Unternehmen der westlichen Welt eine Renditechance von rund acht Prozent, wenn man Dividende und Kursentwicklung addiert. Es gibt also keinen Grund für Panikverkäufe.

Sollte man nun einsteigen, nachdem deutsche Aktien in den vergangenen vier Monaten um fast ein Fünftel billiger geworden sind? So mancher Profi sieht das so. "Die Rückschläge bieten eine gute Gelegenheit, Beteiligungen an erstklassigen Unternehmen selektiv auszubauen", meint beispielsweise Kurt von Storch, Co-Chef der Kölner Vermögensberatung Flossbach von Storch. Damit sind Aktien von bekannten internationalen Marken wie Nestlé oder Coca-Cola gemeint, die wegen ihrer hohen Marktstärke auch Schwächephasen der Konjunktur gut überstehen. Das Verbraucherportal "Finanztip" rät Kleinanlegern dagegen vorrangig zur Anlage in Indexfonds, bei denen der Wert eines gesamten Aktienmarktes wie des Dax nachgebildet wird. Dies mindert das Risiko und kostet nur eine niedrige Verwaltungsgebühr.

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Sind Anleihen eine Alternative? Nein, es ist damit zu rechnen, dass die Europäische Zentralbank den Markt weiter mit billigem Geld fluten wird, um einen Absturz der Konjunktur zu verhindern. Die Zeit der Niedrigzinsen geht also weiter.

Ist Gold die Rettung? Es spricht nichts dagegen, einen Notgroschen in Edelmetallen zu halten - also einige Tausend Euro bei etwas wohlhabenderen Familien. Aber als stabile Anlage kann Gold nicht gelten: Der Wert rutschte in den letzten drei Jahren um mehr als 50 Prozent ab.

Was soll ich mit meinem Geld machen? Weil es fast keine Zinsen gibt, können Familien ihren Konsum etwas erhöhen. Die Deutschen sparen sowieso mehr als viele andere Völker der Welt. Ansonsten sprechen die niedrigen Zinsen für den Kauf von Immobilien: Aktuell ist Baugeld für unter zwei Prozent zu erhalten.

Droht jetzt ein Crash wie beim Neuen Markt im Jahr 2000? Zumindest zählen Digitalkonzerne aktuell zu den großen Verlierern. In den vergangenen Monaten hatten einige das günstige Umfeld genutzt, um den Sprung an die Börse zu wagen - obwohl es auch immer wieder skeptische Kommentare von Experten hinsichtlich des Geschäftsmodells gab. Denn viele Start-ups benötigen anfangs viel Kapital, um ihre Expansion zu finanzieren. Nun, in der allgemeinen Unruhe an den Börsen, scheinen viele Anleger wieder vorsichtig zu werden: Die Aktien des Online-Händlers Windeln.de verloren gestern rund 9,4 Prozent ihres Werts. Die Start-up-Schmiede Rocket Internet musste ein Minus von 5,9 Prozent hinnehmen, der Kurs sackte damit in einem Monat um rund 24 Prozent ab. Noch härter traf es den Kurznachrichtendienst Twitter. Er büßte in vier Wochen ein Drittel seines Firmenwertes ein. Seit seiner Gründung im Jahr 2006 hat Twitter noch nie schwarze Zahlen geschrieben. In der allgemeinen Börseneuphorie schien die Aussicht auf künftige Geschäfte auszureichen. Das ist nun anders.

Warum rutschte die Apple-Aktie in wenigen Wochen um knapp 20 Prozent ab? Die China-Sorgen belasten auch den Bauer der iPhones. Außerdem scheint die Digitaluhr Apple Watch kein Renner zu sein.

(RP)
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