Mannheim Bewährungsstrafe wegen Zinswetten

Mannheim · Wegen riskanter Geschäfte für die Stadt Pforzheim hat ein Gericht die damalige Oberbürgermeisterin und die Kämmerin zu Haftstrafen verurteilt. Auch in NRW haben Kämmerer sich auf riskante Wetten eingelassen.

Wegen riskanter Zinswetten mit Verlusten von zeitweise 57,5 Millionen Euro hat das Landgericht Mannheim die frühere Oberbürgermeisterin von Pforzheim, Christel Augenstein (FDP), zu einem Jahr und acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die damalige Kämmerin der Stadt, Susanne Weishaar, erhielt eine Strafe von zwei Jahren auf Bewährung.

Die Staatsanwaltschaft hatte noch höhere Strafen gefordert - zwei Jahre Haft für Augenstein und zwei Jahre und sechs Monate Haft für Weishaar. Die Verteidigung hatte Freispruch verlangt - Verteidiger von Augenstein ist der FDP-Vize Wolfgang Kubicki Er kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter sieht dafür eine gute Chance: "Da haben sich Staatsanwaltschaft und Gericht weit aus dem Fenster gelehnt. Banken haben diese Kommunalpolitiker nachweislich falsch beraten, also kann man sie nicht so hart bestrafen."

Anders sieht dies in seiner Urteilsbegründung Andreas Lindenthal als Vorsitzender der Großen Wirtschaftsstrafkammer. "Wer böse ist, würde sagen, Sie haben sich verzockt", warf er den Verurteilten vor. Das Risiko sei bekannt gewesen. "Sie haben gewusst, dass Sie Handgranaten kaufen und keine Ostereier", sagte Lindenthal.

Dem anonym angezeigten Duo war vorgeworfen worden, Gelder der Stadt veruntreut zu haben, indem es zwischen 2004 und 2008 Wetten auf den Unterschied zwischen kurz- und langfristigen Zinsen einging. ("Spread-Ladder-Swaps"). Dabei sollte der Käufer gewinnen, wenn der Zinssatz für langlaufende Papiere sich stark vom Zinssatz bei kurzlaufenden Papieren abhebt. Doch dummerweise lagen die Zinsen für kurzfristige Papiere zeitweise sogar höher als für langfristige Anlagen - also musste die Stadt Millionenbeträge zahlen.

Die Angeklagten stritten den Sachverhalt nicht grundsätzlich ab - was die Kammer ihnen zugutehielt. Allerdings meinten beide Angeklagten, sie hätten die Komplexität der von der Deutschen Bank und der US-Großbank JP Morgan vermittelten Zinswetten nicht überschaut - eine Behauptung, die Richter Lindenthal nicht gelten ließ: "Wir müssen mit der Mär aufräumen, dass sie von der Deutschen Bank betrogen wurden", sagte er, "ein solches Risiko mit dem Vertrauen der Bürger einzugehen, ist nicht vertretbar."

Wohl entscheidend für das hohe Strafmaß war die Überzeugung des Gerichts, dass ein Teil der Spekulationen nur gewagt wurde, um die ersten Verluste auszugleichen. Dafür spreche, dass die Geschäfte meist umgeschichtet wurden, kurz bevor Zahlungen an die Banken fällig waren. Frau Weishaar meinte dagegen, sie habe nur das Ziel gehabt, die Zinsausgaben der Stadt Pforzheim zu verringern. Sie sei "keine Spielerin". FDP-Politikerin Augenstein, eine Diplom-Finanzwirtin, verwies in ihrem Schlusswort darauf, sie sei die einzige von hunderten Kommunalvertretern, die wegen schiefgelaufenen Zinsgeschäften vor Gericht stehe. Sie sei "Opfer intransparenter Geschäfte von vertrauenswürdigen Banken" gewesen. Zu spät habe sie gemerkt, wie schlecht sie beraten worden war.

Das Interessante an dem Urteil ist, dass die Bewährungsstrafen verhängt wurden, obwohl die zwei beteiligten Banken in Zivilverfahren wegen Falschberatung überführt worden waren. Darum hatten sie den Großteil der 57,5 Millionen Euro Verlust ausgleichen müssen - auf Kosten von 14,3 Millionen Euro blieb Pforzheim aber sitzen.

Auch in NRW haben Kommunen massiv bei Zinswetten verloren. So nahmen 27 Kommunen einen Teil ihrer Kredite in Schweizer Franken auf. Das führte zu möglichen Mehrkosten in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro, als der Franken unerwartet aufgewertet wurde. Außerdem ließen sich mehr als 100 Kommunen auf Zinswetten ähnlich wie Pforzheim ein - Experten schätzten die Verluste auf mehrere hundert Millionen Euro.

Zumindest bisher sind keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen Verantwortliche der NRW-Kommunen bekannt. Der Grund scheint zu sein, dass zumindest bisher Falschberatung durch Geldhäuser wie insbesondere die frühere WestLB als entscheidende Ursache der Spekulationen galt. In rund 25 Fällen haben die Kommunen wie auch Neuss so Schadenersatz von Banken erstritten.

Die Logik lautet für die Städte also: Besser keine Strafanzeigen gegen die eigenen Kämmerer stellen, damit die Banken alleine die Schuldigen bleiben.

(RP)
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